Energielos
- FRAUENBARTH
- 10. Okt. 2024
- 5 Min. Lesezeit
8.00 Uhr
Das Handy klingelt so ca. eine Sekunde, bevor der Wecker anspringen kann und ich fahre aus dem Bett hoch.
"Hi. Wir stehen unten!"
"Bin sofort bei euch!"
Ich klettere über meinen Freund und den Hund und versuche dabei, mir nicht wieder den Rücken zu verrenken und eile aus dem Schlafzimmer. Unterwegs werfe ich mir noch schnell einen Pulli über und versuche wenigstens irgendwie in meine Socken zu kommen. Ist ja doch schon kalt, gestaltet sich mit einem kaputten Rückgrat aber in Eile denkbar schwierig bis nahezu unmöglich.
Als ich die rutschigen Holztreppen nach unten flitze, bereue ich die Sockensache gleich nochmal. Dafür werde ich mit Guccis freudigem Gesicht an der Glashaustür begrüßt. "Guten Morgen!", sage ich zu ihrem zweibeinigen Freund und möchte dann die Hündin begrüßen, doch die ist schon an mir vorbeigezischt und auf dem Weg zu Basti. Die zwei haben sich vor knapp einem Jahr kennengelernt und es war Liebe auf den ersten Blick. Die wird Augen machen, wenn sie dem großen Luca gleich zum ersten Mal gegenüber steht.
"Meine Frau holt sie dann heut Nachmittag wieder ab, okay?" Ich lächle und nicke, streiche mir eine Strähne meines noch ungewohnt kurzen Haares aus dem verschlafenen Gesicht und bin froh, dass er es offenbar eilig hat.
Wie ich es erwartet hatte, finde ich eine erstarrte Gucci und einen belustigten Luca im Wohnzimmer vor und beschließe die Situation ohne großes Trara einfach zu unterbrechen. Für gewöhnlich lassen wir die Hunde sich erstmal beim Gassigehen kennenlernen bevor wir sie zusammenbringen, doch Gucci gehört quasi schon zum Inventar und Luca ist ein super sozialisierter Labrador mit besten Manieren. Und in letzter Zeit müssen wir mit unserer Energie haushalten, wie es eben geht und damit arrangieren wir uns hier halt alle. Auch die Hunde. Gucci war zwischen acht und neun angekündigt und ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass ich erst noch schnell mit Luca eine kleine Parkrunde drehen kann und wir die Dame dann einfach aufsammeln, aber gestern Abend habe ich doch noch schnell an meiner Kolumne weitergeschrieben und dann hat sich die Schlafenszeit auch wieder irgendwie verschoben. Wenigstens konnte ich besser einschlafen.
"Auf geht's, Luca! Geh ma spazieren." Ich ziehe uns beide an, mir meine Kleidung und Schuhe, ihm Halsband und Geschirr und wir brechen zu einer schönen Morgenrunde im herbstlichen Kurpark auf. Es ist ein schöner Morgen und ich fühle mich eigentlich richtig gut. Wäre da nur diese grässliche Müdigkeit nicht.
9.45 Uhr
Als wir zurückkommen, finden wir Basti und Gucci zusammengekuschelt im Bett vor. "Schmerzen?", frage ich. "Hölle.", antwortet er. Ich sehe zu Luca und sein Blick verrät mir, dass wir gerade beide dasselbe denken. Frühstücken und nochmal aufs Ohr hauen.
13.45 Uhr
"Wir müssen langsam mal aufstehen."
"Hä?"
"Aufstehen!"
Ich schaue auf mein Handy. Ja, Zeit wird's. Ich muss noch beim Arzt anrufen, ein paar Formulare ausfüllen und mailen. Außerdem möchte ich es heute wirklich schaffen, den Instagramaccount für Frauenbarth zu erstellen. Ist ja wirklich ärgerlich, wenn nie irgendetwas vorwärts geht.
Wir quälen uns aus dem Bett ins Bad, duschen, packen uns in warme Kleidung und gehen Gassi. Die Hunde verstehen sich gut und wir haben ein Regenloch erwischt. Für uns und Luca ist schlechtes Wetter nicht so das Thema, aber Gucci hasst das Nass von oben und bei Gewitter ist es dann ganz vorbei. Ein Gut-Wetter-Hund.
16.30 Uhr
Wir kommen zurück. Unterwegs konnte ich meinen Instagramaccount anlegen und auch schon den ersten Beitrag plus Story veröffentlichen. Mal sehen, wie lange es dauert bis die ersten Aufrufe kommen.
"Find ich sehr gut.", erscheint die Nachricht meiner Mama auf meinem Handy. Hä? Achja, wahrscheinlich den Buddy-Artikel, den ich ihr und seiner Familie heute Morgen schnell zur ersten Durchsicht geschickt habe. Ich bin selbst noch nicht ganz überzeugt, aber der Text ist schon auf dem richtigen Weg. Vielleicht könnte ich gleich noch ein bisschen ...
"F*ck, welches Datum ist heute?", rufe ich und schaue meinen Freund verzweifelt an, anstatt einfach auf die Datumsanzeige meines Handys zu schauen. "Keine Ahnung. Der Zehnte?", murmelt er aus seiner Schreibtischecke hervor. "F*ck, ich muss die Steuer noch machen!"
Nicht, dass es viel zu tun gäbe. Schließlich arbeite ich seit 24. Februar 2024 nicht mehr. Wenigstens war mein letzter Auftrag eine Hochzeit. Immerhin ein schönes Event, leider auch die letzte Gelegenheit für die darauffolgenden Monate am Leben teilzunehmen.
"Egal, alles easy, WISO macht das schon.", beruhige ich mich selbst und ernte ein zufriedenes "Na schau!" von meinem Freund.
Gut, mache ich das einfach gleich, dann hab ich danach wieder den Kopf frei und kann ein bisschen vorplanen, an dem Portal für unser MultiMediaBook arbeiten, das am 15. online geht oder ein bisschen Zeichnen. Alles halb so wild.
Ich starte das Programm und gebe mein Passwort ein. "Benutzernamen oder Passwort falsch"
Nicht schon wieder!
Passwörter und ich stehen auf Kriegsfuß. Es gibt viele verschiedene davon und ich kenne sie alle, ich weiß nur nicht immer unbedingt, wem sie zuzuordnen sind und das wird dann zum Problem. Und vor allem zum Zeitfresser.
17.20 Uhr
Ich habe das richtige Passwort ermittelt und gebe meine Nullerklärung inklusive AU (nur zur Sicherheit) ab. Der ganze Vorgang dauert etwa 2 Minuten und ich nehme mir fest vor, mir diesmal wirklich die richtigen Passwörter für alle Schritte zu merken.
Die Hunde schlafen und ich nehme mir erstmal eine kleine Auszeit vom fröhlichen Passwortraten und Formularausfüllen, logge mich in WoW ein und gehe angeln. In Wirklichkeit würde ich übrigens nie angeln oder einen Fisch essen. Das habe ich mein Leben noch nicht getan und auch nicht vor.
18.15 Uhr
Gucci geht wieder nach Hause und ich kümmere mich, um das, was noch so anfällt. Wäsche waschen, dürftiges Abendessen zubereiten, dem Staubsaugerroboter bei seiner Arbeit helfen.
20.00 Uhr
Basti und ich stellen gemeinsam mein neues Interface für WoW ein. So ganz weiß ich immer noch nicht, was ich tue, aber immerhin habe ich Spaß dabei und wer weiß, vielleicht entwickle ich ja irgendwann mal Skill.
22.00 Uhr
Wir gehen eine große Abendrunde mit Luca und freuen uns über sein lustiges, stets gut gelauntes Wesen. Unterwegs lese ich Basti den Entwurf für den Buddy-Artikel vor, schließlich war es seine Idee, über diesen Hund zu schreiben. Damit hat er mich vor eine echte Herausforderung gestellt, aber er mag das Resultat. Mal schauen, was die Redaktion dazu sagt ...
23.00 Uhr
Meine Energie neigt sich dem Nullpunkt und ich lege mich schonmal ins Bett. Das passiert so gut wie nie. Gewöhnlich gehen wir immer gemeinsam zu Bett und dass ich so völlig unbrauchbar für alles bin, kenn ich auch nicht. Mal abgesehen von den beinahe vier Monaten, in denen ich mit eingeklemmtem Nerv im Bett lag und weder aufstehen, noch essen konnte.
Ich lese noch ein bisschen in dem Roman, den mir eine meiner alten Bekannten letztes Jahr gegeben hat und den ich bisher noch nicht angefangen hatte. Die Frauen von Capri. Gefällt mir bisher ganz gut, aber ich bin auch erst auf Seite 42.
23.37 Uhr
Ich tappe nochmal raus zu Basti, um ihm einen Kuss zu geben und zu sagen, dass ich heute wohl wirklich nichts mehr tun kann außer schlafen und mache das dann auch.
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