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Echt. Chaotisch. Herzlich.

Schön, dass du hier bist! Hier teile ich ehrliche Einblicke aus meinem Leben als tierische Begleiterin, ehemalige Gastro-Tollpatschin und Einzelhändlerin. Es geht nicht um perfekte Karrieren, sondern um echte Geschichten, chaotische Erlebnisse und wie ich mit den Herausforderungen des Alltags umgehe – mal humorvoll, mal herzlich.

Für alle, die flexibles Arbeiten und den Mix aus Spaß und Chaos lieben, bist du hier genau richtig. Bleib dran, wenn du zwischen den kleinen Alltagskatastrophen etwas zum Schmunzeln oder Nachdenken fidest!

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Schuld & Sühne

Aktualisiert: 21. Apr.

1.38 Uhr

Unser ruhiger Abend endet eher ernüchternd durch körperliche Ärgernisse und wir kuscheln uns irgendwie enttäuscht und deprimiert zusammen. Es war bis dahin so ein schöner Abend. Wir haben uns was zu essen gemacht, waren ausgiebig duschen und haben uns eine Folge unserer aktuellen Serie angeschaut und einen kurzen Blick in "Das fantastische Leben des Ibelin" gewagt, was uns dann aber doch für einen ruhigen Abend zu emotional erschien. Ist einfach grad auch irgendwie zu nah dran an unserer Situation, auch wenn mein Freund glücklicherweise keine tödliche Erkrankung, aber eine chronisch fortschreitende und sehr schmerzhafte, die seine Möglichkeiten auf Dauer erheblich einschränken werden. Im Reallife. Aber seit "The War Within" sind wir ja auch endlich wieder online. Wir haben 2020 schon mal angefangen, ich damals als blutige Anfängerin, aber kurz danach sind wir irgendwie ins Chaos gestürzt. Also nicht irgendwie, ich weiß schon warum und das bin ich gerade am Aufarbeiten.


Ich drücke mich an den warmen vertrauten Körper neben mich und atme tief durch. Wenn ich die Schmerzen durch nur irgendwie rausziehen könnte... Gerade könnt ich's ertragen. Es geht mir gerade körperlich ganz gut eigentlich.


Ich lausche dem Atem an meiner Seite und dem Hörbuch. Der erste Teil von "Die Tribute von Panem". Ich war nie ein sonderlich großer Fan. Hab der Sache auch nie 'ne Chance gegeben. Und das habe ich jetzt auch nicht vor. Ich will einfach nur an der Seite meiner Liebe einschlafen.


Doch mein Hirn ist heute ungewöhnlich interessiert an der Stimme der Erzählerin. Die Worte malen Bilder und nehmen mich mit in die Welt von Katniss und lassen mich durch ihre Augen sehen. Wirklich schön, dass das wieder funktioniert. Es ist Jahre her, dass ich einfach mal ein Hörbuch anhören und mich darin fallen lassen konnte.


Als Peter (m)i(h)r die zwei Laibe Brot zurollt, werde ich schon ein bisschen nachdenklich. Als der Blick in der darauffolgenden Szene auf den Löwenzahn fällt, ist es vorbei. Löwenzahn. Pusteblume. Das Band zwischen Katniss und mir schnürt sich immer enger bis es in loderndem Feuer auf geht und mich im Splitscreen in Flashbacks schickt. Löwenzahn. Pusteblume. Loslassen. Schuld. Mutter. Familie. Versorgung. Hunger. Spiele. Leben. Tod. Löwenzahn. Vergewaltigung. Pusteblume. Hoffnung. Angst. Schuld. Trauer. Blindheit. Wut. Scham. Ein Strudel zieht meinen Geist in die Tiefe, während die Last meinen Körper zerquetscht.


Lange her diese starken Gefühle. Vor sieben Jahren habe ich noch geglaubt, ich könne sie niemals ertragen. Als das das erste Mal passierte, dachte ich, ich würde sterben. Kurz darauf wollte ich das auch. Zumindest diesem Zustand entfliehen, weiterkommen. Glücklicherweise hatte ich einige treue Begleiter, die mich daran erinnert haben, dass das auch im Leben möglich ist, wenn man bereit ist, der Situation ins Auge zu blicken und daraufhin habe ich mir Hilfe gesucht. Danke dafür. An meine Familie. Und die Hand voll Leute, zu denen ich immer kommen konnte, egal wie aussichtslos meine Situation schien. Ganz besonders verbunden bin ich KD, ohne die mein jetziges Leben nicht stattfinden würde. Manchmal wissen die Menschen vielleicht gar nicht, wie viel sie einem bedeuten und dass sie eine ganze Welt gerettet haben. Und den meisten ist auch nicht klar, dass dafür ein Gespräch oder eine Idee helfen kann.


Nun weiß ich also, dass ich das hier überlebe, aber noch nicht, wie ich wieder rauskomme. Die Gedanken hüpfen wild umher und ich fühle mich schuldig, dass ich nicht für meine Mama da sein konnte, als sie wochenlang im Krankenhaus lag, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, vor der Realität wegzulaufen. Nämlich dass ich im Begriff war, mein Pferd und meine Mama gleichzeitig zu verlieren. Beide waren zu diesem Zeitpunkt sehr schwer krank. Bei meiner Stute war das zuerst klar und seit dem Anruf am 15.12.2020 zwischen 15.00 und 16.00 Uhr ist nichts mehr, wie es war. Ich hatte davor schon zu kämpfen mit dem ganzen sozialen Quatsch, mit dem ich so zu dealen hatte, aber mein Herz ist bei meinen Tieren. "Die Nierenwerte sind sehr viel schlechter geworden. Drei Monate vielleicht. Ein halbes Jahr. Maximal."


Sie schaffte eineinhalb. Eine Woche nach ihrem 24. Geburtstag mussten wir eben diesem Tierarzt, der sie viel zu früh totgesagt hatte, den Auftrag erteilen, seine Vorhersage wahrzumachen. Sie war auf ihrem Paddock gestürzt und hatte sich das Becken zertrümmert.


Das war kurz nachdem meine Mama von ihrer ersten Reha zurückkam, auf der ich sie nicht mal besucht habe. Schuld. Scham. Trauer. Wut auf mich selbst, weil ich die schlechteste Tochter und größte Versagerin aller Zeiten bin. Wenn man sonst schon nichts hinkriegt, hätte ja wenigstens das drin sein können. Übung hätte ich ja. Unsere Familie hat eine lange Leidensgeschichte mit Krebserkrankungen hinter sich und meine Jugend war belastet von der schweren und schmerzhaften Erkrankung meiner Omi, der Überforderung meiner Eltern und was halt dann sonst noch so schief läuft, wenn man irgendwie versucht, als bisschen merkwürdige Person, die lieber für sich ist und sich noch nicht so ganz klar über seine Sexualität ist.


Die Nacht ist ein Wechsel aus Katniss-POV, Splitscreen und Flashback-Diashow, vielen Tränen, ein bisschen Übelkeit, stummen Schreien und viel Hin- und Hergewälze, was weder meinem Freund, noch meinem Körper sonderlich gut tut. Bei jeder Bewegung beginnen meine Waden zu Krampfen. Das wird noch der beleidigte Nerv sein. Warten wir mal ab. War ja auch lange abgequetscht das Ding. Wär ich auch sauer.


Irgendwann trocknen die Tränen auf meinem Gesicht und ich schlafe ein.


8.00 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern.


8.05 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und sehe nach ob die Mädels kommen. Keine Info. Ich drücke auf Play und drücke auf Play. "Flammender Zorn". Ich bin noch benommen von der Nacht und fühle mich so lala. Der Tag ist da. Ich lebe noch. Alles gut. Jetzt muss ich unbedingt ein bisschen Schlaf nachholen und dann schaffe ich vielleicht auch noch ein bisschen den Tag wahrzunehmen.


8.10 Uhr

Ich drücke auf Schlummern und fühle mich als wäre ich in einem schlechten Film gelandet. Mein Finger berührt das Handy und der Flashback springt an. Diesmal sitze ich zwischen meiner Mutter und meinem Exmann auf einem der bequemen Kinosessel im Europapark. Mein Papa ist überglücklich. Alle sehen recht zufrieden aus. Außer ich. Ich habe schlechte Laune. Wie meistens zu dieser Zeit. "Komm, ist doch toll!", lacht meine Mama. Wenn ich jetzt an ihr schönes Lachen denke, kommen mir die Tränen, weil ich sie so sehr vermisse und seit inzwischen mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen habe, aber damals war ich einfach nur angepisst. Und diese Erinnerung macht mich irgendwie fertig. Die eine holt die nächste hoch und alle diese kleinen Gemeinheiten und fiesen Sticheleien kommen wieder raus. Und, dass ich die schlechteste Tochter der Welt bin.


Ich schreibe ihr eine Nachricht und entschuldige mich bei ihr. "Ist alles okay bei dir?"

"Joa, muss nur grad bissl nachdenken."


8.24 Uhr

Mir fällt auf, dass die Mädels heute nicht kommen, weil sie diese Woche ja im Allgäu sind. Allgäu... da komm ich auch her. Ich weine bis Basti aufwacht. Natürlich versuche ich auch, mich ein bisschen abzulenken und die Flennerei zwischendurch mal zu unterbrechen, in dem ich einen Instapost mache oder ein bisschen in OnePiece blättere oder Katniss weiterfolge, Nachrichten bezüglich der Hunde beantworte und versuche neu entstandene Platzprobleme für kommende Woche zu klären, aber es will nichts so recht funktionieren. Da muss ich jetzt eben durch. Bin ja schon alt genug, dass ich 'nen Bart haben könnte. Die Geschichten, die mich bis heute umtreiben übrigens auch. Man könnte jetzt meinen, Therapie hätte halt einfach nichts geholfen, aber ehrlich gesagt bin ich ziemlich dankbar drum. Es war nur alles viel und es ist noch mehr dazugekommen.


11.20 Uhr

"Guten Morgen Bebi! Wie spät ist es?"

"Elf Uhr zwanzig. Wie geht's dir?"

"Hm."

"Hm."

"Gehen wir duschen, ja?"


Er merkt sofort, dass es mir nicht gut geht und ich weiß, dass es ihm nicht gut geht, also schleichen wir ins Bad und duschen. Da fließt dann erstmal die Trauer und die Scham der letzten Nacht ab, aber die Schuld will einfach nicht gehen. Wie so nervige Menschen, denen man tausend mal zu verstehen gibt, dass man sie scheiße findet und die trotzdem immer noch denken, sie könnten deine Freunde sein. Kennt man ja, oder?


"Wie gehst du mit Schuld um?", frage ich. Er ist gut in solchen Dingen. "Deine Schuld unterscheidet sich von meiner. Du empfindest sie für Entscheidungen, ich für Handlungen. Denke, das musst du anders lösen."

Er kennt mich einfach so gut. "Ja, aber... und okay. Und warum die Tribute von Panem als Auslöser?"

"Na überleg doch mal."

Ja, liegt irgendwie auf der Hand. Wegen so Kleinigkeiten, nicht unbedingt der Storyline.


Wir reden noch eine ganze Weile in unserem Wohnzimmer bis es mir soweit geht, dass wir einkaufen gehen können.


"Es tut mir leid, Bebi. Nachdem ich von Donnis Krankheit erfahren habe, bin ich völlig durchgedreht. Mir war ab dem Anruf klar, dass es vorbei ist, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Und dann bin ich weggelaufen. Und hab meine Augen vor der unvermeidbaren Realität verschlossen. Und uns deswegen in die Sache mit dieser Schl*mpe manövriert und damit fast gegen die Wand gefahren."

"Das hast du nie und das hättest du auch nie können und ich hatte auch meinen Anteil an der Sache. Und du musst deswegen kein schlechtes Gewissen haben, in solchen Lebenslagen hat man einen Freifahrtschein."


Schon gut, wenn man jemanden an der Seite hat, der das Chaos im Kopf verstehen kann. Wüsste nicht, was ich ohne ihn täte.


"Komm, wir wollten doch schon ewig mal Frühstücken gehen! Suchen wir uns einen Bäcker!"

"Wir könnten doch ins Auszeit gehen, da hast du doch eh versprochen, dass wir vorbeikommen?"

"Hast du auf die Uhr geschaut? Da kriegen wir jetzt kein Frühstück mehr."

Halb drei. "Oh. Stimmt." Also wird's die Wiener Feinbäckerei und es arbeiten zwei total bezaubernde Damen, die total nett mit zwei Mädchen umgehen, die ein bisschen zu wenig Geld dabei haben. "Was magst du denn, mein Schatz? Such dir was aus und das mit dem Geld kriegen wir schon hin", sagt die eine zum Mädchen, während die andere beide freundlich anlächelt. "Das da hätte ich gern. Aber ich habe leider 5 Cent zu wenig."

"Das macht nichts.", sagt die Verkäuferin und gibt den Mädels mit strahlendem Lächeln ihre Schokobrötchen.

Basti und ich schauen uns gerührt an. Was für ein schöner Moment. Vielleicht kommen wir ab jetzt öfter hierher. Nicht weil der Kaffee so toll wäre oder das Essen so überzeugend, aber das war so eine herzliche Szene, dass sich meine Laune allmählich wieder fängt. Daran hatte mein Freund zwar den Hauptanteil, aber das war noch so das Sahnehäubchen.


Wir lassen uns Zeit beim Essen und Quatschen ein bisschen weiter. Gerade verändert sich wieder viel und wir wissen noch nicht in welche Richtung. Was machen die Körper mit, wie können wir was wann umsetzen und so weiter.


Bevor wir den Lebensmitteleinkauf antreten, schauen wir noch auf einen Sprung in den Buchladen. Ich erhalte mein monatliches Nerdgeschenk. Es ist Elsa zum Häkeln. Das könnte meine aktuell blankliegenden Nerven beruhigen.


Als wir wieder rauskommen, beobachten wir, wie ein mittelalter grantiger Herr eine Dame mit Kopftuch anschreit, die auf der Parkbank sitzt und Tauben füttert. Ja gut, Tauben füttert man nicht, das ist einfach nicht gut für sie, aber ist halt nicht so cool, als fremder Mann eine fremde Frau mitten auf der Straße anzuschreien. Ich merke schon, wie das Adrenalin in meinem Freund hochkocht, denn das kann er gar nicht ertragen und als der Typ ihr dann: "Geh zurück in dein eigenes beschissenes Land zum Vögelfüttern, du ..." an den Kopf wirft, ist's um seine Fassung geschehen. "Sag mal willst du dich nicht schämen, du rassistischer Wichser?"

"Was willst du denn?"

Blablabla... Dauert kurz ein paar Minuten, weil's keiner gut sein lassen kann und ich finde es auch richtig, dass Basti nicht nachgibt. Gerade heute bissl Haltung bewahren. Bin ja schon wieder unpolitisch geworden, aber zu unseren Überzeugungen stehen wir nach wie vor (Das ist auch der Grund dafür, sich wieder von dem Thema zurückzuziehen).


"Was für ein Depp.", murmelt er vor sich hin, als wir in das Tor zum Schlosspark passieren und eine Runde drehen. Komisch irgendwie ohne Hund. Einfach anders. Ich lege den Kopf schief, nicke nachdenklich und schaue auf meine Eiskönigin. Mit ihr verbindet mich ein Weihnachten voller Tränen, Wärmflaschen und Bauchmassagen als mein Kaninchen Kiki krank war. Wurde ab dieser Nacht zu unserem Film und immer wenn sie wieder Schmerzen hatte, haben wir den zusammen geschaut. Außerdem ist die Version von Helene Fischer von "Lass jetzt los" meine persönliche Hymne für Arschlochzeiten. Helene im generellen. Wenn ich richtig wütend bin, wird die Fischer aufgedreht. Aber eigentlich auch wirklich nur dann. Führt öfter mal zu Missverständnissen, weil die Leute um mich rum dann fälschlicherweise davon ausgehen, ich wäre in guter Stimmung, wenn ich Schlager höre. Weiß auch nicht, wie sie darauf kommen.


"Na, vielleicht lernt er ja was draus.", beendet Basti seine Ausführung über das unsozialisierte Verhalten des Mannes von gerade eben gleichzeitig mit unserem Spaziergang durch den Park. "Vielleicht. Aber ich glaube, das setzt wenigstens ein gewisses Maß an Intelligenz voraus."


Wir erledigen unsere Einkäufe und als wir an der Kasse stehen, kommt der Typ nochmal von hinten an. "Hey!"

"Lass mir meinen Frieden!"

"Hey, ich wollte nur..."


Ich bin eigentlich gerade damit beschäftigt, eine Sprachnachricht abzuhören, die mein Hundeproblem von nächster Woche löst, aber muss jetzt doch kurz hinhören. "mich nur entschuldigen.", höre ich den Typ noch sagen und verschwinde zwischen den Weinregalen, damit ich kurz eine Sprachnachricht mit meiner Danksagung zurücksenden kann auf der keine Diskussion drauf ist. Nati hat mir echt geholfen mit ihrem Hinweis, dass November und Januar unterschiedliche Monate sind, auch wenn ihre Zahlen recht ähnlich aussehen. Also löse ich das ganze Chaos, dass ich heute morgen durch meine Unachtsamkeit mit der 11 und der 1 ausgelöst habe und kriege lustigerweise kurz darauf eine Nachricht von meiner Mama mit grüßen von Chaos. Das ist die Schwester von Kiki und seit deren Tod lebt sie mit den Katzen in der Horde zusammen im Allgäu. Fünf Katzen und ein Kaninchen. Eine interessante Truppe und der Rest unserer einst großen Familie. Auch sie vermisse ich jeden Tag. Und ich sollte meine Omi mal wieder anrufen und mir das nicht nur vornehmen. Bin halt mal wieder zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Vielleicht hat sich doch nichts verändert. Im nächsten Moment fällt mir ein, dass das Quatsch ist, weil sich sehr wohl sehr viel verändert hat.


"Schau, hat er was gelernt.", sagt Basti stolz als wir die Rolltreppe nach oben fahren. "Hm. Meinste? Hast seine Entschuldigung angenommen?"

"Natürlich nicht."

"Weil er sich nicht bei dir entschuldigen muss, sondern bei der armen Frau?"

"Genau. Das arbeitet jetzt ein paar Tage, vielleicht kommt er dann von selbst drauf."

"Große Hoffnung."

"Muss man sich bewahren."


Hab keinen Grund mich zu beschweren. Habe den tollsten Mann der Welt an meiner Seite. Mit Rückgrat, auch wenn's schmerzt.


Die letzten paar Stunden waren wirklich anstrengend und ich fühle mich, als hätte ich Wochen nicht geschlafen, aber er hat mich gut wieder auf Kurs gebracht. Wir schauen noch schnell bei DM vorbei und ich kaufe mir zwei verschiedene Nagel-Aufbauseren, Unterlack und Schnellhärter und eine neue Farbe. Habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Wozu auch. Lag ja eh nur im Bett rum, nach der OP gab's zwar einen kurzen Aufschwung, aber der Wind wurde dafür wurde mir durch das ein oder andere ungünstige Ereignis relativ bald wieder zu Nichte gemacht. Nachdem es mir im Sommer besser ging, konnte ich zusehen, wie mein Freund sich mehr und mehr quälte. Anfang August wurde dann bei einem Hundebesuch ein Trauma noch ganz blöd angetriggert und das hat mich für die kommenden Wochen völlig nutzlos gemacht. Ich hatte ja eigentlich vor, lange schon wieder zu arbeiten und halt dafür irgendwas online zu machen, aber nach dem 4. August war erstmal an nichts Produktives mehr zu denken. Seither erzählt mir meine Mama regelmäßig, ich solle doch aus dem, was ich erlebt habe, etwas machen. Ein Business aufbauen. Das anderen Menschen wie mir hilft. Und so auch mir selbst hilft, weil ich mich dadurch finanzieren kann. Das ist eine gute und schöne Idee, das Problem daran ist nur, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich ihr in der Nacht am Telefon überhaupt erzählt habe, weil ich ganz viel aus meinem Leben vergessen habe. Ich könnte sie fragen. Aber das will ich nicht. Ich habe es ja nicht umsonst vergessen. Ich habe keine Erinnerung an das was ich ihr erzählt habe oder das wovon ich erzählt habe und die Sachen, die mir einfallen, eignen sich nicht unbedingt für ein Geschäft. Außer vielleicht ein Trennungsgeschäft. Bin gut drin geworden, mich von Menschen zu lösen. Sehr gut sogar. Vielleicht auch zu gut. Wer weiß das schon.


"Jetzt fühl ich mich auch wie eine Königin.", sage ich, nicht nur, weil ich weiß, dass er mich dafür liebt, sondern weil's wirklich ernst gemeint ist. Krass, was einem so ein bisschen besch*ssener Nagellack bedeuten kann, wenn er ein Kennzeichen dafür ist, dass man langsam wieder beginnt zu leben.


Wir sind inzwischen beide recht entspannt, auch wenn mein Becken steif ist wie das einer alten Lady und Basti nur dank seiner überdimensionalen Muskeln nicht aussieht wie der Glöckner von Notre Dame (und weil er sehr auf seine Haltung achtet) und trotten Seite an Seite die Fußgängerzone Richtung Heimat.


Vor uns pöbelt irgend ein Druffi ein junges Mädchen an und ruft ihr "Was willst du, du Schlampe?" nach. Ich bleibe stehen, drehe mich langsam um, nehme meine Sonnenbrille ab und frage gereizt: "Gibt es ein Problem?"

"Was willst du von mir du kleine ..."

Weiter kommt er nicht, weil Basti hinter mir auftaucht und den Rucksack mit den Einkäufen schon abgelegt hat.

"Ich frage dich, ob es ein Problem gibt, weil du hier mitten auf der Straße rumschreist."

Er ignoriert mich und fokussiert sich auf Basti. Kenne ich. Die Angst macht sie blind und unbedacht. "Wolltest du gerade meine Frau beleidigen?", fragt Basti ruhig und geht einen Schritt näher auf ihn zu. Der Druffi tut's ihm gleich. "Die hat mich einfach so herrisch angelabert."

"Moment. Du schreist hier irgendwelche Weiber an und wenn ich dich frage, ob du ein Problem hast, kommst du mir aggro?"

Sehe schon, dass das ein Mamiproblem ist und wir sind in der Nähe von Frankfurt. Armer Tropf. Hatte bestimmt kein einfaches Leben, aber geht halt so auch nicht. Ich mein, das arme Ding, dem er da nach geschrieen hat, war vielleicht zwanzig und kann ja auch nichts für seine Psychosen.

Er zieht es vor, mich weiterhin zu ignorieren, meinem 85kg schweren Freund zu sagen, er solle halt tun, was er zu tun hat, um sich dann kurz darauf auf meinen Kommentar, was für ein stolzer und prächtiger Mann doch ist, mit dem Ausruf "Ich hab keine Zeit für so'n Scheiß, ich muss zur Substi!" zu verziehen. K, TY FYI. Haben nicht gefragt und war uns auch egal, wollten nur dass du dein dummes Maul hältst. Wir tragen unsere Kopfkriege ja auch zuhause aus, dann erwarten wir das auch von anderen Leuten. Heißt nicht, dass wir generell unsere Klappe halten, was diese Geschichte ja schon unterschreibt.


Manchmal kann man einfach nur den Kopf schütteln. Wir bringen den ersten Teil der Einkäufe nach oben und verziehen uns vor ein Stündchen nach Azeroth. Ich bringe meine Jägerin endlich nach Dornogal und danach springen wir kurz zu Edeka, um TK-Pizzen zu holen, weil keiner von uns heute kochen will. Vorbildlich als Personal Trainer und Ernährungsberater. Die Zubereitung findet dann auch in der Heißluft-Fritteusse statt, weil wir ja immer noch keine Küche haben. Und bisher keine Info.


Als ich zurück an den PC komme, habe ich Post. Mein zweites Nerdgeschenk wartet auf mich. Es ist Reven. Der kleine Fuchs, der meine Chars ab jetzt begleiten wird und an Menschen erinnert, die weniger Glück mit ihrem Körper haben als wir. Ich weine noch ein bisschen. Wegen einer Mischung aus Glückseligkeit über den Moment, meinen wundervollen Mann und darüber, dass ich habe, was ich habe und dem Stress, der langsam beginnt sich zu lösen. Die Schuld nagt nur noch ein bisschen und ich bin mir sicher, irgendwann kann ich mich auch von ihr trennen.


22.33 Uhr

Ich halte meine Gedanken in diesem Beitrag fest und logge mich wieder in WoW ein. Vielleicht kann mein Priester die Schuld ja mit seiner Sühne bekämpfen...









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