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Echt. Chaotisch. Herzlich.

Schön, dass du hier bist! Hier teile ich ehrliche Einblicke aus meinem Leben als tierische Begleiterin, ehemalige Gastro-Tollpatschin und Einzelhändlerin. Es geht nicht um perfekte Karrieren, sondern um echte Geschichten, chaotische Erlebnisse und wie ich mit den Herausforderungen des Alltags umgehe – mal humorvoll, mal herzlich.

Für alle, die flexibles Arbeiten und den Mix aus Spaß und Chaos lieben, bist du hier genau richtig. Bleib dran, wenn du zwischen den kleinen Alltagskatastrophen etwas zum Schmunzeln oder Nachdenken fidest!

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Betreff: Das geht so nicht!

Trigger: Sexualität, Identität, Tod, Krankheit, Belästigung


8.00 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und komme allmählich wieder ein bisschen mehr zu mir. Die Mädels und Basti schlafen noch. Ich mache auch nochmal für zwanzig Minuten meine Äuglein zu.


8.20 Uhr

Ich stehe mit den Mädels auf und wir gehen Gassi. Es tröpfelt und Dudu möchte die Elizarunde gehen. Die ist nämlich kurz und kleine Hunde scheinen der Landgräfin besonders gern vor die Nase zu kacken. Sie trägt es mit Würde, was bleibt ihr auch sonst übrig. Wenn du jetzt ich wärst und kurz von dem Bild der kackenden kleinen Hunde vor der Statue zurücktreten könntest, würdest du vielleicht deinen Blick aufs große Ganze legen und die Ironie der Tradwifes darin erkennen. Heute geht's übrigens mit der Küchensache weiter. Also wir werden weitere Maßnahmen ergreifen, um endlich mal zu einer zu kommen oder uns halt dann selbst eine zu kaufen. Whatever. Damit ich, wenn ich irgendwann mal wieder arbeitstauglich bin, auch meinem Hausfrauenberuf (Ernährungsberaterin), für den ich mich sehr bewusst entschieden habe, irgendwann wieder ausführen kann.


9.00 Uhr

Ich suche die Nummer der Zurich-Sachversicherungen raus, weil ich noch keine Rückmeldung von der Agentur habe und eine Woche doch genug Zeit gewesen wäre, also kümmere ich mich jetzt selbst drum. Der Sachbearbeiter findet zunächst meine Unfall. Die ich ja auch schon bei der Cosmos habe und die mein Papa nach wie vor für mich bezahlt. Passt schon, ich kann mich erinnern, gesagt zu haben, ich möchte eine gute Absicherung, inklusive Unfall auch fürs Ausland, weil wir ja gerade im Begriff waren, ins Ausland zu ziehen. Und auf jeden Fall haben wir auch gesagt, dass wir eine RS für In- und Ausland brauchen, insbesondere für Miet- und Arbeitsrecht, weil wir zu diesem Zeitpunkt völlig auf uns allein gestellt waren. Innerhalb von ein paar Stunden gab es auf einmal nur noch uns. Uns und ein neues Leben, das ins mal wieder ins Ungewisse führte. Da waren die Versicherungsverträge irgendwie tröstlich. Wenn du alles zurücklassen musst, auch die, an denen dein Herz noch hängt, tut das ziemlich weh.

Ich gebe nochmal die andere Nummer durch und dann nochmal alle meine Daten. "Frau Barth?" "Ja?"

"Es tut mir furchtbar leid. Ich habe schlechte Nachrichten." Die Zeit steht still. "Sie haben bei uns keine Rechtschutzversicherung. Ich kann leider nur einen Haftpflichtvertrag finden."

"Ja, gut. Das ist jetzt wirklich sehr scheiße. Tut mir leid für die Ausdrucksweise, aber ich hätte die Versicherung jetzt wirklich gebraucht und war auch der Meinung, seit zwei Jahren einen Vertrag zu bedienen. Sie können nichts dafür! Entschuldigen Sie die Störung!"

Ob das jetzt an gut auswendiglernenden Einserazubis liegt oder an der Tatsache, dass es vielleicht doch einfach naiv ist, im Büro der Exfreundin deines Onkels Geschäfte zu machen, wenn deine Mutter dort leider wegen ihrer Gehirnerkrankung nicht mehr arbeiten kann. Wenn man das mal so betrachtet, war ja irgendwie klar, dass das schief gehen muss.


Basti ist grad an mir vorbei ins Bad geschlichen und ich bin auf 180. Ich weiß nicht, ob ich schreien oder weinen soll oder am besten einfach alles niederbrenne. Ich lege mein Handy auf den Schreibtisch und bleibe in der Wohnzimmertür stehen. Er kommt gerade aus dem Bad und schaut mich an. "Was ist los?"

Ich beginne zu hyperventilieren. "W... Wi... R. k...eine RS! KEINE RS!"

"Stopp!", schreit er und bringt mich damit aus meinem Film. "Du beruhigst dich jetzt! Da haben wir erst gestern drüber gesprochen."

Ich fahre runter, weil er recht hat und das nicht weiterhilft. Also tue ich, was ich so tue, wenn ich sauer bin und nicht weiter weiß. Ich rufe meine Mutter an und schreie sie an. "Ja, ok, das ist jetzt blöd, aber das kriegen wir schon hin." Ich schimpfe wie ein Rohrspatz und mein Vater schickt in der Familiengruppe schon mal ein paar Alternativlösungen. Basti guckt nach dem Mieterschutzbund und versucht, dort jemand zu erreichen, aber erfolglos. "Ich probier's später nochmal. Lass uns erstmal duschen gehen."

Ich stimme zu und informiere ihn drüber, dass ich früher schlau genug war, Telefonnummern gleich einzuspeichern, damit ich nicht die Übersicht verliere. Ja, als Zwölfjährige war ich irgendwie noch deutlich strukturierter, aber da war ich ja auch noch in meinem Fleisch verankert.


11.27

Wir ziehen uns an und ich schreibe meiner Mum zurück. Sie hat ein paar Ideen und einige finde gut, andere finde ich nicht so gut und sie versucht möglichst diplomatisch zu sein, um mich nicht noch mehr auf die Palme zu bringen.


Ich mache eine Sprachnachricht und schicke sie ab. 11.31 Uhr. Ich hatte die ganze Zeit nur den Chat meiner Mama geöffnet. (Das wird gleich noch wichtig)


11.35 Uhr

Ich gebe Basti mein Handy, damit er mal von da aus beim Mieterschutzbund anrufen kann. Selbes Ergebnis.

"Vielleicht sind sie im Mittag."

"Um zwanzig vor zwölf?", fahre ich ihn bissig an. Er zuckt nur mit den Schultern. Ja mei, was soll er auch sonst tun. Mehr als anrufen und Mails schreiben können wir ja auch nicht.

"Hab keinen Bock mehr."

"Ich auch nicht."

Sein Handy klingelt. Er geht ran. "Ja, klar. Sie können sie gerne schicken. Zeit ist egal. Ich bin sowieso zuhause, weil ich aktuell leider krank bin.

Ja, genau. Sie sollen einfach klopfen, wenn sie da sind. Unsere Klingel geht nicht."

Er legt auf. Ich schaue fragend. "Also ich weiß nicht, wer heutzutage die Bürokräfte einstellt, aber sie fand es 'großartig' dass ich frei verfügbar bin, weil ich krank bin. Die Klempner. Schauen sich nochmal die Hebeanlage an. Um die zu überprüfen. Macht ja auch Sinn, wenn sie sie das letzte Mal komplett ausgetauscht haben." Er zwinkert. Wir werden von unseren Vermietern seit nunmehr drei Wochen geghostet und das Schloss ist nach wie vor defekt, ein Elektriker existiert offenbar auch nur in der Fantasie genauso wie die Küche und der lustige Schrank, der seit zwei Monaten den Raum zum Wärmezähler blockiert, gehört offenbar einfach niemandem.

Mein Handy klingelt. "Barth." Meine Stimme ist frostig. "Ja, Hallo! Frau S. am Apparat. Sie haben gerade bei mir angerufen?"

"Was?"

"Ja, wir hatten neulich mal telefoniert..."

"Sind sie vom Mieterschutzbund oder was?"

"Nein, nein! Verzeihung, es geht um meinen Hund, vielleicht erinnern sie sich."

Oh f*ck. Meine Hundeleutestimme ist ungefähr zwei Oktaven höher und so süß, dass mein Freund das jedes Mal mit einem "Brems dich mal." kommentiert.

"Oh mein Gott, es tut mir ja sooooooooooooo leeid! Ich war gerade noch in einem anderen Vorgang. So sorry! Worum geht es?"

"Ich weiß nicht genau... Sie haben bei mir angerufen."

"Habe ich nicht. Glaube ich..."

"Mein Handy hat geklingelt und ihre Nummer wurde mir angezeigt."

"Verzeihung, das muss ein Versehen gewesen sein." Ich checke nebenbei schnell meine Anrufliste und tatsächlich ist auf meinem Handy um 11.30 Uhr ein ausgehender Anruf verzeichnet. Normalerweise speichere ich die Hundeleute immer gleich ein, aber als die liebe Dame mich letzte Woche angerufen hat, waren wir gerade in Frankfurt unterwegs und ich habe es auf später vertagt. Und aktuell rufen mich halt keine fremden Leute an, außer irgendwelche Behörden oder Versicherungszeugs oder so. Was halt so anfällt, wenn man mit 30 auf einmal für vorübergehende Zeit seiner Gesundheit beraubt ist. Die vorübergehende Zeit geht halt zugegebenermaßen schon lange.

"Alles gut, das kann ja mal passieren! Dann hatten Sie kein Anliegen?"

"Nein, nicht, dass ich wüsste! Entschuldigen Sie bitte die Störung am Montagvormittag!"

"Das macht doch nichts! Unser Termin steht ja?"

"Ja, klar! 16. Januar."

"Ja, in Bad Homburg."

"Genau. Ich freu mich drauf. Eine schöne Weihnachtszeit wünsche ich Ihnen."

Toll. Ausgerechnet die Münchnerin. Hätte ja mal wieder nicht besser laufen können. Hätte ja auch irgendeine andere Nummer wählen können Und warum ist das überhaupt passiert. Ich frage Basti, aber er hatte ja sein eigenes Handy und dann checke ich die Zeiten, in denen ich meiner Mama geschrieben habe, weil ich glaube, dass ich langsam verrückt werde. Aber guck, der Anruf ging wirklich raus. Um 11.30 Uhr. Aber ich schwöre, ich konnte mich in der Zeit gar nicht so verdrücken. Sonst hätte es doch meine Sprachnachricht gelöscht."

"Keine Ahnung. Geist in der Maschine."


Wir halten uns nicht mehr mit der Negativität auf und gehen ins Fitnessstudio. Vielleicht für dieses Vorhaben nicht unbedingt der beste Club, aber wir lassen uns einfach nicht mehr abf*cken. Außerdem haben wir vorher schon geklärt, wie die Dienstpläne sind, damit auch jemand da ist, mit dem man vertragliche Angelegenheiten, die oftmals ein bisschen über Kreuz laufen dort, regeln kann und sich sicher ist, dass er es auch weitergibt. Wie das so ist, wenn man nach drei Wochen wieder auftaucht, findet erstmal ein reger Austausch statt und ich freu mich sehr für die süße Maus aus der Kunstbranche, die vergangene Woche ein richtig cooles Erlebnis hatte. Frankfurt ist halt schon nice, wenn man an die richtigen Orte kommt. Ich lausche gespannt, während ich das blöde Formular gefühlt zum millionsten Mal ausfülle, damit das Büro die Kontoänderung eintragen kann. Weil's um Kunst und Musik geht, landen wir irgendwann auch bei den Groupies und dem Verhalten von manchen Frauen. "Ich versteh dieses Fantum einfach nicht so ganz.", sage ich.

"Ich auch nicht. Was denken die denn? Dass der sowas noch nicht gesehen hat oder dass sie diejenige welche sein werden?"

"Vielleicht. Und naja, so heiß finde ich ihn jetzt ehrlich gesagt auch nicht. Aber ist vielleicht einfach nicht so mein Typ. Kontra ist viel heißer."

"Ja, aber... kennst du das, wenn du eine Person so magst, dass du nicht mit ihr schlafen wollen würdest, weil das alles kaputt macht?"

"Ja, tatsächlich." Meine Person ist Kevin. Eine platonische langbestehende Liebe, die keine großartige Nähe braucht, um immer wieder auf denselben Punkt zu kommen. Zwischen uns ist null sexuelle Spannung. Ich habe keine Geschwister, deswegen kann ich keine Aussage darüber treffen, aber vielleicht ist Kevin das, was einem Bruder am nächsten kommt. Seine Frau liebe ich genauso. Erstens schonmal, weil er sie liebt und er damit zu meiner emotionalen Familie gehört. Und zweitens, weil es eine wirklich tolle Person ist und ich mir kaum eine herzlichere Frau dieser Generation vorstellen könnte. Sie ist ungefähr so alt wie meine allerliebste Menschenfreundin auf der Welt, deswegen kann ich ihr den Platz nicht geben, denn der gehört meiner Sonne.

Paradox wohl, dass diese Menschen gar nicht wissen, wie viel sie mir wirklich bedeuten. Ich habe keine Worte dafür. Dankbarkeit. Schuld. Dankbarkeit. Zuneigung. Vertrauen. Es ist schön, zu wissen, dass es sie gibt. Mag befremdlich sein, ich habe sie das letzte Mal vor mehr als zwei Jahren gesehen. Es sind vier, dass ich zum letzten Mal die Sonne sah.

"Okay, und so geht's mir mit Kontra."

"Ja, aber er ist einfach viel, viel, viel, viel heißer!"

"Voll, was stimmt denn mit dir nicht?"

"Ne Leute, außerdem weiß ich, dass der eine Frau und Kinder hat. Die Kinder wären nicht das Problem, aber wenn ich weiß, dass jemand vergeben ist, denk ich gar nicht weiter drüber nach."

"Das ist mal eine Frau mit Charakter.", lobt Basti sie, der inzwischen sehr, sehr, sehr, sehr angepisst von grenzüberschreitenden Frauen ist, weil es offenbar völlig egal ist, was er sagt. Am Ende macht er ja nur wegen mir nicht mit. Kommt ja keine auf die Idee, dass er sie auch so nicht ficken wollen würde...

Im passenden Moment ist Schichtwechsel und wir switchen zu den unpassenden Laufbandoutfits und stellen fest, dass es schon passiert, dass wir Geräte wechseln oder das Training beenden, weil man sich das manchmal echt nicht mehr anschauen mag. Nichts gegen schöne Frauen, aber im Fitnessstudio möchte ich bitte trainieren. Nichts gegen schöne Outfits, auch knappere. Solange du dich wohlfühlst, toll, aber vielleicht könnte man auch drauf achten, dass man nicht so ne krasse Belästigung für andere wird. Und ehrlich, wenn mir ein Mann seinen Schiedel ins Gesicht halten würde, vor allem in so hautengen Hosen, dass Latex wie ein Zirkuszelt wirken würde, könnte ich ihn voll anzeigen. Das kann ich bei den 16 Jährigen Gymmädels natürlich nicht, aber ärgerlich finde ich es dennoch. Dann halt Abstand.


Das Traurige ist ja, dass meine Sexualität die Frau vorziehen* würde und es auch mal einfacher war, ästhetische Frauen(körper sind Kunst) zu finden, es aber mit Ausnahme von einem zufälligen Glückstreffer 22 seit vielen Jahren keine andere Frau gibt, die die Vibes rüberbringen würde, wo ich sagen könnte, okay, let's go. Anfangs waren wir beide der Meinung, ich hinge noch zu sehr an meinem Mädchen aus meiner Vergangenheit, das zwar wunderbar in unsere damalige Zukunft gepasst hätte. Aber es geht gar nicht ums Festhängen oder darum, dass ich einfach pauschal alle scheiße finde, die nicht sie sind. Nicht so toll vielleicht, okay, aber damit lässt sich ja arbeiten. Theoretisch. Aber leider schaffen es die potenziellen Kandidaten immer wieder die Messlatte der Niveausenkung zu unterwandern. Fast so, als würde man einen Blick auf die Politik werfen. Haben wir genauso wenig Bock drauf. BTW "Betreff: Das geht gar nicht" war tatsächlich mal von einem der Grünen in meinem Postfach. Hatte mein Privatkonto wegen Krankheit schon lang nicht mehr angeschaut und nicht gesehen, dass sich die Grünen-Parteimitgliedsabbuchung ganz blöd mit der Zahlung meines Krankengeldes eben nicht überschnitten hatte. Fand dann ehrlich gesagt den Betreff ein bisschen frech, aber habe die Mail trotzdem gelesen. Offenbar hatte er versucht, mich telefonisch zu erreichen, aber ich denke, er hatte nur meine alte Telefonnummer. "Nicht melden geht gar nicht.", laß ich und dachte mir so: "Ja, stimmt. Hatte ja auch nichts besseres zu tun, als deiner Partei Unterstützung zu bieten, während ich irgendwie klarkomme. Wo ihr ja alles so gut im Griff habt."

Ich antwortete, dass sie bitte die fälligen Beiträge einfach nochmal einziehen sollten und dass es gut ist, dass er sich bei mir gemeldet hat, weil ich ja eh schon länger wieder austreten wollte, aber es bisher aufgrund meines Lebens, das mir mehr bedeutet, als die Politik des Schutthaufens eines Landes, das mir nie was gegeben hat - nur halt die freundliche Version davon. Seine Rückmeldung kam prompt, obwohl bereits weit nach zehn Uhr abends war. Das fände er doch jetzt sehr komisch, weil ich ja erst so engagiert getan habe, was denn mit mir los sei. Und wenn ich meine Mitgliedschaft kündigen wollte, sollte ich mich an die Mail des Kreisverbandes wenden. Das tue ich auch, in dem ich meine Antwort ins CC setzte. Abgebucht haben sie nie mehr was, aber ihre komischen Treffen flattern immer noch in meinen Spamfilter. Wenn ich mich nochmal fühlen wollte, wie im Biologieunterricht der neunten Klasse würde ich lieber zum SPDler im Immenstäder Russenviertel ziehen und die Harnröhrendilatation mit seiner Frau feiern, von der er uns damals erzählt hat als nochmal zuzusehen, wie viel zu alte, schleimige Kerle mit Bierbauch ein armes minderjähriges Mädchen am Stand am CSD so bedrängen, dass es fast in mich reinschlüpfen muss. Ist doch hässlich sowas. Also beides und Partei- und geschlechtsunabhängig. Könnten die Leute mal versuchen, Grenzen zu respektieren? Ist natürlich leichter, auf die andere Seite zu zeigen. Und ja, ich war in meinem Leben sehr oft grenzüberschreitend und ich gebe zu, wieder grenzüberschreitend denjenigen Personen gegenüber zu werden, die Grenzen von Personen überschreiten, die sich nicht selbst helfen können.


Nachdem wir fertig palavert haben, wird es mal Zeit fürs Training und das läuft eigentlich ganz gut für die lange Pause. Wir sehen den super coolen Typen wieder, der echt viel abgenommen hat. Die letzten Wochen, in denen wir ihn nicht gesehen haben, ist so krass was vorangegangen. Der kann mal richtig stolz auf sich sein und das sagen wir ihm auch gerne. Leute wie er halten unsere Laune an schlechten Tagen hoch und schenken uns neuen Glauben an ein besseres Morgen, wenn wir ihn aufgeben wollen. Leute, die für sich kämpfen. Die sie selbst werden wollen. Die was ändern. Ich hoffe aufrichtig, er schafft es und dreht sich nicht - wie so viele - in eine Suchtspirale. Die Grenzen sind fließend und oftmals schwer zu erkennen. Und ich mit meinem Unverständnis für Sucht (weil ich's nicht fühlen kann, theoretisch verstehen ist einfach nicht dasselbe) tu mir da nochmal ein bissl schwerer, glaub ich. Dafür sehe ich Störungen äußerst zuverlässig und bei diesem netten Knopf sind noch keine Anzeichen dafür da. Er ist einfach bereit dafür, sein Leben zu leben und das ist für uns eine große Inspiration.


Nachdem Training quatschen wir noch kurz mit unserem Kleinen, der es sehr hasst, wenn ich ihn "Mein Kleiner" nenne (siehst, erste Grenzüberschreitung), aber er weiß, ich mache das, um ihn aus der Reserve zu locken und es funktioniert sehr gut. Dauert nicht lang, dass ich ihn in den Arm nehmen und ihm sagen muss, wie stolz ich auf ihn bin. Ich weiß, wie sehr er mit sich kämpft.

"Okay, nach den neuen Entwicklungen tut sie mir echt nicht mehr leid. Egal wie hart das damals war.", stelle ich fest, als wir nach Hause laufen. "Tja, wie man sich bettet, so liegt man."

"Ich dachte, er wäre schlauer."

"Bin auch enttäuscht. Wäre wenigstens mal ein hübscher Mann mit Ausstrahlung gewesen. Gibt's ja nicht viele."

"Offenbar mehr als Frauen momentan."

Mit diesen Geschichten hat der Kleine übrigens nichts zu schaffen, höchstens Verhaltenskollateralschaden, aber das zieht glücklicherweise inzwischen ganz gut an ihm vorbei. Der kleine Lotus.


Wir kommen nach Hause und ziehen die Mädels an, damit auch die ein bisschen Sport machen. "Wald?"

"Gern!"

Dudu hat ein neues Spielzeug bekommen und ist ganz stolz. Die Granddame und ich bilden das Schlusslicht unseres Vierergespanns, weil sie erstmal in Laub baden muss und ganz viel Schnüffeln. Es geht ihr viel besser und dafür bin ich so dankbar. Als ich sie vor 13 Monaten kennengelernt habe, kam sie mir entgegen, als würde sie mich fressen wollen, sie hat lange Zeit Futter verweigert, auch bei ihrem Menschen. Im November 23 war ich gefühlt mehr bei den Mädels als zuhause in HG und wenn man bedenkt, dass ich die restliche Zeit gearbeitet habe, stimmt das auch. Wir haben fünf Wochen gebraucht bis wir soweit waren, dass ich nicht mehr morgens um kurz vor sieben in den Bus nach Kronberg steigen musste und teilweise erst nachts um elf wieder in Rödelheim festhing und sie zu uns kommen konnten. Die ersten zwei Wochen waren dann auch wirklich viel Arbeit. Vor unserer Tür ist eine hust Bar, happyhour alltime oder so, und ein Massagestudio mit Solarium, also immer was los. Für zwei Hunde, die bei jedem Pups von außen anschlagen, eine echte Challenge. Für sie und mich. Dudu hat auch auf Klingeln oder Klopfen oder Schritte in Serien reagiert. Also halten wir fest, allgemein sehr schwieriges temporäres Zusammenleben und große Sorge um die Alte. Aber ich wusste, dass sie es wert sind. Wie alle aus unserem Rudel.


Vier davon musste ich dieses Jahr gehen lassen, aber nur einer davon ist über die Regenbrücke gewandert. Ich könnte vielleicht sagen zum Glück, natürlich. Ein Tod bei einem großen Rudel auf ein Jahr ist ein unglaublich aufbauend. Es gab Stunden, in denen ich mehr verloren habe, wie am Weihnachtstierheimmassaker 2015. Der Tag, das Wochenende, jährt sich bald. Vielleicht deswegen meine schwierige Laune zurzeit. Jahrestage können wehtun und irgendwann gibt es zu viele von ihnen. Offenbar bewege ich mich in meinem "neuen" Leben aus einem Tretminenfeld an Erinnerungen und nun beginnt die blutigste und die dreckigste Zeit. Die Einleitung war der 25. Oktober. 2003 hat sich an diesem Tag mein erstes Pferd erhängt. Und die Beziehung zu meiner Mutter wurde zerschlagen. Und dann hab ich mich Verhalten, wie Vi. Sie konnte nichts dafür. Sie hat getan, was sie für richtig hielt, was sie konnte und ich habe den Moment verpasst, ihr zu verzeihen und habe sie zur Hexe meines Lebens erklärt, wo ich sie in den folgenden Jahren doch so sehr gebraucht hätte. Aber da waren auch mehrere Einflüsse von Außen maßgeblich dafür, dass wir nicht mehr zueinander fanden und ich das erste Mal in meinem Leben meine Welt(anschauung) verlor und plötzlich völlig auf mich allein gestellt war. Ich fand Trost im Internet. Einige Chaträume, in denen ich rausfinden konnte, was Menschen so bewegt und ich stellte schnell fest, dass sie sich für Sex interessierten. Ich auch, klar ich war ein Kind und das war was Verbotenes. Mama hatte ja immer die Angst, dass ich irgendwie missbraucht werden könnte, deswegen durfte ich keine kurzen Röcke tragen und war im wahren Leben auf der Hut vor allem möglichen, aber das war eher meinem Papa zu verdanken, der sich immer Sorgen um die Leute macht, die irgendjemanden verschleppen oder töten***.


Aber online... Das ist was anderes. Da kann ich sein, wer ich will. Da versteht mich vielleicht mal jemand. Keiner sagt mir: "Davon verstehst du nichts, du bist ein Kind." Meine Ideen und Denkanasätze kommen an für einen kurzen Moment, bei manchen Leuten. Von anderen Leuten lerne ich, was Fetisch ist, schicke jeden Tag ein paar eklige Pädos an irgendwelche Hauptbahnhöfe, dass sie mit einer Rose dort auf mich warten mögen, aber erzähle niemandem davon. Sollen sie warten. In dem Moment habe ich mir keine Gedanken drüber gemacht, dass es ja auch andere Kinder gibt, die nicht so sind wie ich. Unbedarfter. Leichtere Opfer.

Außerdem fand ich raus, dass ich gar nicht so viel für Stino-Cis-Heteromänner übrig habe. Ich fand sie und ihre Ideen immer sehr langweilig. Außerdem wiederholt es sich. Vier oder fünf Muster. Alles gesehen. Turnt mich nicht so. Das war übrigens alles noch Textchat. Also war gar nicht so sehr verstörend, weil meine Fantasie ja keine hässlichen Menschen geformt hat. Irgendwann hab ich dann jemanden gefunden, der ein bisschen spannender war und ich habe begonnen, mich mit der schwarzen Szene zu beschäftigen. BDSM und so. Die nächsten paar Jahre ist mein Leben immer weiter aus dem Ruder gelaufen. Von der gefeierten, reitenden Prinzessin mit dem Einserschnitt wurde völlig unverständlicherweise für alle die merkwürdige, zurückgezogene Hexe mit den PU-Mänteln (Echtes Leder ist schöner, aber ich habe Ethik wir Rücken und ein sexuelles Interesse wiegt niemals das Leid eines anderen Lebewesens auf. Niemals.) Irgendwie wurde mein Wesen, der Ausdruck meiner Selbst, dessen, was ich versucht habe, zu kommunizieren aber leider als sehr absurd empfunden, was ich inzwischen ja auch nachvollziehen kann. Wenn die alten ekligen Nachbarn aber dann auf perversen Jagd gehen und deinen Eltern Fotos in den Briefkasten legen, ist das doch sehr uncool... Und wenn du irgendwann anfängst, aus deiner kindlichen Kopfwelt ins reale Leben zu gehen und fünfzehn bist und keinen Plan hast, dass andere Menschen nicht so berechenbar sind wie Formeln und dass es viel mehr zu lesen gibt als ihre Worte, kannst du schon ganz schön hart auf die Fresse fallen.


Das war ein sehr privater Einblick in mein Leben, den ich bisher nur mit der Liebe meines Lebens in dieser Form geteilt habe, aber ich fühle mich inzwischen bereit, darüber zu sprechen. Weil ich einfach ein neugieriges Kind war und versucht habe, irgendwie meinen Platz in der Welt zu finden. Meine Familie. Das Leben zu entwerfen, dass ich wollte. Und das folgte klaren Strukturen, weil alles um mich herum zusammenbrach. Der Wunsch war einfach. Ein starker, bisexueller Mann der genug Alpha ist, um mit mir umzugehen und sich nicht von mir provoziert zu fühlen, der mich Frau sein lässt, wenn ich Frau sein will und meine völlige Nonbinarity im restlichen Leben nicht nur toleriert, sondern liebt. Sein dazugehörige Kerl und die obligatorische Frau, zu der ich noch keine nähere Vorstellung hatte, weil ich keine eklige Lesbe sein wollte. Alles andere war vollkommen okay für mich, aber die Gefühle fürs gleiche Geschlecht waren irgendwie ein Problem für mich und haben zu ziemlich viel Selbsthass geführt (kann man sich schwer vorstellen, weil ich's sehr offen gelebt habe, denken die meisten <> hätte ich das Leben gelebt, dass man mir nachsagt, hätte ich definitiv mehr Spaß gehabt). Und dann wollte ich glücklich mit meiner selbstgewählten Familie sein, die sich wirklich liebt. Ist doch eigentlich ein legitimer Wunsch, oder?


(Falls du Psychologe bist oder das Fach gerade studierst, viel Spaß ;) Kleine Sideinfo: Meine Familie hat sich immer gefragt, was mit mir denn nicht stimmt. Erst war ich doch das nette Mädchen und dann das schwarze Schaf, aber wenn man's recht bedenkt, war ich ja immer schon schwierig. Vielleicht hätte mein Vater mich und meine Mama doch verprügeln sollen, damit das nicht passiert... Paar Monate später: Vielleicht bieten wir der kleinen Nutte Geld, damit sie wieder mit uns redet und schließlich hat die Oma ja Krebs. Die stirbt bald und sie hat das ja auch nicht gesagt. Der Spruch war nicht mehr der Grund, warum ich nicht mehr ins Krebshaus des Höllengeschreis gehen konnte, das war eher die Depression in Form der nicht über ihren toten Mann weg kommenden wollenden und deswegen meine sterbende Oma belästigende Schwester, worüber ich natürlich kein Wort zu verlieren hatte. Hab ich mein Maul gehalten? Nein, weil meine Mama mir beigebracht hat: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" und sie haben alle ständig gelogen, also habe ich geschwiegen, dass man mir irgendwann mal glauben kann.


März 2019

"Nein, das glaube ich dir nicht. Das hast du dir ausgedacht. Ich bin doppelt so alt wie du uns so einen Quatsch habe ich noch nie gehört!" Eins meiner Gruppenmitglieder auf Therapie.


Mai 2019

"Jana, es tut uns leid. Wir konnten uns das wirklich nicht vorstellen und dachten, du erzählst nur scheiße, aber das war viel krasser, als du beschrieben hast." Die grobe aus meiner Erinnerung Zusammenfassung meiner Therapiegruppe, die mich zwischen 14 und 2 Wochen kannte. Vor einer Woche war Angehörigenseminar. Konnte mal wenigstens bestätigen, dass ich halt das Kind bin. Oder hätte sein sollen wollen.

Die armen unwissenden Leute, ich habe ihnen ja nicht einmal ein Achtel von dem erzählt, was ich erlebt habe, aber ich habe mir gerne ihre Lebensgeschichten angehört. Suchttherapie ist so spannend. Und ja, in der Situation fand ich es ganz oft scheiße, dort in Franken am Arsch der Welt zu sein. Allein. Während meine Tierfamilie ewig weit weg war, mein Pferd immer kranker wurde und ich irgendwie damit beschäftigt war, dem Impuls, meinem Leben ein Ende zu machen, täglich Einhalt zu gebieten. Allein in einem Haus aus verlorenen Seelen, deren Geschichten mich am Leben gehalten haben und die in Ausnahmefällen auch tatsächlich schlimm waren. Aber ganz viele haben einfach wenig Resilienz und ruhen sich gerne aufm System aus oder sammeln Kurschatten. Nicht, dass ich keinen Sex auf Therapie gehabt hätte, aber das gehörte irgendwie ja auch zu meinem Konzept. Wenn du über ein halbes Jahr denkst, du bist vielleicht asexuell, weil du schon bei dem Wort kotzen musst, ist das so eine persönliche Challenge und dann nimmst du halt das 'beste' Angebot, das da ist.


Versagen ist scheiße. Ich habe geschwiegen, um glaubwürdig zu sein und bin dadurch unglaubwürdig geworden, weil ich tun musste, was ich nicht wollte, um meine Fassade des "Alles wird gut" aufrecht zu erhalten doch die Küken waren schon lange tot... In diesem Satz stecken zwei Wahrheiten meiner Geschichte in einer Zeitschleife, wegen Küken und dem sicheren Nest meiner schwierigen Jugend und wegen der kasachischen Küken, die das Mädchen, das ich eigentlich auf Therapie wollte und dann nur ihren Fickfehler übernommen habe, während es sich selbst lieber mit dem Gorilla paaren wollte, der aussah wie ihr Vater (und ihr Exmann und auch der Mann, mit dem sie später ihr erstes Kind gebären sollte), beim "Schlafenlegen" aus Versehen die Genicke umgedreht hat.


Versagen ist scheiße. Deswegen wollte ich mich nicht scheiden lassen. Alle sagten von Anfang an: Das ist eine dumme Idee. Das ist keine Liebe. Lass das. Und ich so: okay, ja, ich schaff das. Ich mach was draus. Okay, genau! Klar, alles wird gut. >> Halt einem Esel eine imaginäre Karotte vor die Nase oder erwische auf Zufall den richtigen Trigger, den der "dominante" Mann zuvor ins Gehirn der Schlampe gepflanzt hat.


2023

"Ich habe das Gefühl, du musst dich immer beweisen. Was ist das, dass dir keine Ruhe lässt?" Meine Sonne kennt mich halt. Wir müssen uns nicht sehen, damit sie weiß, wenn bei mir was nicht stimmt und ich hoffe, dass ich irgendwann wieder in der Position bin, das zu erwidern.


Darüber habe ich viel nachgedacht. Was wollte ich eigentlich beweisen? Ich rede und rede und sage nichts, weil ich nichts sagen kann. Was auch? Dass ich eine Schuld empfinde, weil ich als zwölfjährige Online gegangen bin und fremden Männern und Frauen Fantasien geschenkt habe, von denen sie zuvor nicht gehört haben? Ich hatte keine Erfahrung, aber ich kann lesen und dann staggst du einfach hoch. Ist wie Gaming. Easy. Nuancen erkennen, führen lernen.


Aber das ist es nicht. Damit bin ich fein. Sie haben sich auf ein Kind eingelassen und ich saß hinter einem Bildschirm und habe mein Gesicht nie gezeigt. Selbst Schuld. Wie gesagt, als Kind kannst du noch nicht so über mögliche Opfer nachdenken, wenn das so fern von dir liegt, weil du ja selbst supüer behütet ist und du zwar mit Oma jeden Tag dafür betest, dass der Papa nicht wieder eingezogen und im Krieg fallen wird auch wenn du schon lange weißt, dass Glaube nicht so in Stein gemeistelt ist, wie deine Relgionslehrerin dir erzählt hat und dass deine Eltern vermutlich auch nicht für immer im lodernden Höllenfeuer brennen, nur weil sie aus der Kirche ausgetreten sind. Krieg ist realer. Die ersten zwei Jahre meines Lebens war mein Papa im Ausland. Auf Friedensmission. Er redet nicht darüber. Ich habe bruchstückhafte Erinnerungen. Daran wie er Freitags mit seiner Zigarette auf dem kleinen Balkon sitzt. In seiner Uniform. Den Blick Richtung Stiefel, die Zigarette lustlos zwischen den Fingern. Ich sehe seinen Schmerz, aber ich verstehe ihn nicht. Ich spüre ihn körperlich, ich bin sein Kind. Und ich sehe, wie er bricht. Mit jedem Mal, mit dem er nach Hause kommt und sich auf den kleinen Balkon setzt, ist er ein bisschen weniger der lockige Clown, den ich zwar irgendwie beängstigend, aber auch total lustig fand. Ich sehe ihn auf diesem Balkon und dann tritt er über die Schwelle und setzt seine rote Nase auf. Seine blauen Augen weinen, aber sein Lachen zuckt noch nicht. Das wird erst Jahre später kommen.


Wir hatten nie Hunde und ich glaube auch, den Grund zu kennen. Papa, falls du das liest, ich verstehe dich. Ich hab dich sehr lieb. Und Mama, dich natürlich genauso und es tut mir leid, dass auch ich in gleichem Maße ungerecht zu dir war, wie deine Familie. Kinder lernen nun mal einfach durch soziales Nachahmen und ich habe leider oft den Punkt verpasst, wann genug ist. Ich war einfach so wütend, weil du dich nicht retten lassen wolltest und wir zu dritt hätten so glücklich sein können. Ohne die Second Family. Wir wären gut gewesen. Ihr hättet ihr selbst sein können und ich hätte mich drauf konzentrieren können, was ich aus mir machen will, anstatt erst zu versuchen euch rauszuziehen und als ich am Punkt war, einzusehen, dass ich keine Macht darüber habe, aufzugeben. Aufgeben ist scheiße...


Mit dem Erwachsenwerden gewinnt man einen gewissen Abstand und kann seine Eltern irgendwann als Menschen wahrnehmen. "Manchmal kann man nicht aus seiner Haut.", sagt meine Mama. "Aber man kann sich entwickeln.", sage ich (erinnerst du dich an den Anfang des Tages? << Tue, was ich sage, nicht was ich tue - Frauenbarth oder wenn das Leben einfach wäre).


Deutschland. 80 Jahre ohne Krieg und trotzdem bin ich ein Kind, eines Soldaten, der Enkel von Soldaten... und in den düsteren Zeiten meiner Urgroßeltern fangen wir besser nicht an zu graben. Gute Deutsche Erziehung und so. Vielleicht ist das Problem auch, dass ich nicht das schwarze, sondern das bunte Schaf war, aber auf der anderen Seite hätte sich bei den ganzen Frivolitäten, die die tatsächlich abziehen, wirklich niemand auch nur ein Wort erlauben dürfen.


18.55 Uhr

Die Hunde haben Abendgegessen und Basti sitzt mit Kopfschmerzen in seinem Massagestuhl. "Das geht so nicht."

"Wie der Betreff der Mail von dem Grünen-Typ?"

"Ja, genau. Ich kann so nicht mehr leben."

Es ist schon wieder ein kleiner Wäscheberg da, ich habe schon mindestens eine Woche kein Geschirr mehr von den Schränken gesammelt, das meine bessere Hälfte in seinem Schmerz dort abstellt, wo es halt grad geht und außerdem sollte der Wasserkocher entkalkt werden, das Klo geputzt, die Winterkleidung wieder aus dem Karton in den Schrank geräumt werden. Nebenbei schreibe ich den Blogbeitrag von Sonntag, stelle fest, dass ich wegen der Rechtschutzangelegenheit die Hilfe meiner Eltern brauche, weil ich nicht einfach wieder irgendeinen dummen Vertrag abschließen will und teile ihnen mit, dass wir deswegen morgen telefonieren sollten, wir gehen nochmal kurz mit den Hunden raus und danach mache ich weiter, lade mal die Staubsauger, damit ich später hinter Robo-Saugi (der übrigens auch eine lange Geschichte hat) her putzen kann.


1.55 Uhr

"Gehen wir schlafen?", fragt Basti. "Ja, warte kurz, ich häng nur noch kurz die letzte Wäsche auf."




*Sebastian ist die Liebe meines Lebens. Mein Superman, meine schwarze Rose. Mein "Ja." auf die Frage auf die Frage: "Er ist es, oder?"


**mit fünf im Mini rumrennen ist auch nicht okay, da hat sie recht. Aber Oma hat immer schön in die andere Richtung getrieben: "Die Mama ist halt eifersüchtig und will nicht, dass du schön bist.", was vollkommener Quatsch war, genauso wie dass ich sterben werde, wenn ich nicht um Punkt 20.00 Uhr eingeschlafen bin. Diese letzte Info, die ich liebenswürdigerweise von meinem Onkel bekommen habe (halt leider auch nur im Austausch dafür, dass er voll "inkognito" mit meiner damals besten Bekannten über Discord reden kann, während sein minderjähriger Sohn auf der Couch sitzt, die meine Eltern leasen mussten, weil sie mir ihr Designersofa in die Wohnung überm Stripclub mitgegeben haben, die ich ein paar Jahre zuvor mit meinem damaligen arbeitslosen Verlobten und jetzigen Exehemanns ansonsten nicht weiter einrichten musste, weil unser Vermieter schon für alles gesorgt hatte. Ach Den, wenn du nur wissen könntest, wie viel du mir bedeutest hat und wie sehr ich dich geliebt habe, mehr als Justus, den Gerechten, zu dem ich so ungerecht war und das Mädchen gebumst habe, in das er so krass verliebt war, während er dachte mit ihr zusammen zu sein in dem Wissen, sie interessiert sich nur wegen seines Namens für ihn. Unterste Mittelschicht küsst obere Mittelschicht, zuzusagen. Leider war halt ein Teil davon so gar nicht heterosexuell, was der Gerechte in seinem Alter aber wirklich nicht wissen konnte. Justus hinter mir zu lassen, war nicht so schwer. Ein netter Junge, ein verwirrter Junge, ein Junge, der einfach nicht wusste, was er mit all dem, was um ihn passiert, anfangen soll. Wir waren beste Feinde und ich bin sicher, viele meiner Opfer- und Sarggerüchte hat er gestreut, aber wenn wir Ruhe hatten, waren wir im Flow. Vielleicht waren wir uns damals zu ähnlich als wir jung waren und zu dumm, über diese Jungen-Mädchen-Grenze hinwegzusehen. Das war bei Den und mir kein Problem. Er wusste alles von mir. Meine Gefühle, meine Umstände und er hat mich auf andere Gedanken gebracht. Wir waren wir die abgefuckt schlechte Version von Bonny und Clide ohne die nötigen Kriminalitäten oder sexuelle oder romantische Spannung, aber wir waren cool zusammen und wenn wir meinen damaligen Mann ans Steuer der Lincoln gesetzt haben und die Trennwand hochgefahren haben, war ich für einen Moment frei. Er wusste, wie sehr ich diese Momente brauche. Einfach mal durchatmen. Dass man aus dieser schönen, unschuldigen Sache, einem Stirnkuss aus Respekt etwas Dreckiges machen kann, hat nicht nur meine Freundschaft zu Den zerstört, sondern auch zu seiner Frau, die ich stets sehr geschätzt und ein bisschen gefürchtet habe. "Hase, leg dich nicht mit den Rumänerinnen an.", sagte er. "Lass dich nicht von den Schlampen an der Nase rumführen.", sagte sie. Überall wohin wir kamen, waren rumänische Mädchen. Logisch, die haben ja auch für ihn gearbeitet. Und soll ich was sagen? Du legst dich nicht mit ihnen an, aber du wirst auch als fremde Frau unter Deutschen nie so schnell integriert. Wenn's kracht, dann richtig, aber du bist halt, wer du bist. Ging mir übrigens mit meinem Müncher Jugos im Münchner Edeka ebenso. Tolle, tolle Menschen, die von der Gesellschaft behandelt werden, als wären sie nicht existent oder schlimmeres. Davon wollen wir jetzt aber nicht anfangen.


Kennst Schleifen, oder?


*** Ich weiß, dass er sich nur Sorgen macht, aber die Nachricht "Pass bitte auf, dass der Typ kein Menschenhändler ist.", wenn du an deinem 25sten Geburtstag auf dem Weg mit der U-Bahn durch München zu einem Bewerbungsgespräch bist, um nachts am Ostbahnhof Müll aufzusammeln, weil du bereit bist, alles zu tun, auch einen zweiten Job wie diesen anzunehmen, nur um nicht in dein altes Leben zurückzumüssen, ist nicht so super aufbauend, wenn auch nachvollziehbar. Der Typ war kein Menschenhändler, hätte den Job auch bekommen, aber das fanden Basti und meine damalige Anwaltschefin nicht so gut, weil meine Woche dann ohne Überstunden schon auf 77 Stunden bestanden hätte. Aber wirklich, ich wollte nie wieder zurück...


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