MusicMonday & Selbsttreue
- FRAUENBARTH
- 28. Okt. 2024
- 7 Min. Lesezeit
Es wird hell. Ich stehe auf und tappe ins Bad. Das braucht ein bisschen, weil sich mein Körper anfühlt wie der einer 200 Jährigen und meine Hüfte über Nacht offenbar in so ein komisches Saw-Ding eingespannt wurde. Also nicht so toll auf jeden Fall. Ich räume schnell das Geschirr aus der Dusche, das ich gestern Abend zum Einweichen reingestellt habe, damit ich später nicht wieder 'ne Stunde heulen muss, weil ich deswegen zuerst aus dem Bett aufstehen soll so wie gestern. Die kluge Frau baut vor. Und aktuell bin ich halt empfindlich wegen solcher Sachen. Und das mit dem Geschirr und der Dusche hat ja auch spätestens ein Ende, wenn die neue Küche endlich da ist. Vielleicht bekommen wir ja diese Woche mal ein Feedback diesbezüglich. Wäre schon recht toll. Dafür meckert die Klospülung wieder. Mal sehen, wie lange wir diesmal ohne Klempner auskommen. Man hat ja in einer Mietwohnung normalerweise auch keine Hebeanlage, aber hier in der Louise ist eben alles ein bisschen anders. Passt ja auch irgendwie zu uns.
9.00 Uhr
Der Wecker klingelt. Mein Freund drückt auf Schlummern. Ich drehe mich und bereue es. Wenn ich mein Becken blöd kippe, fangen meine Waden an zu krampfen. Das ist auch nicht so toll.
9.05 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich greife über Basti, nehme mein Handy und drücke auf Schlummern. Meine Mama hat geschrieben. Ich bin beruhigt. Ich antworte nicht, weil ich ja noch halb schlafe, aber es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass dort alles seinen normalen Gang geht.
Wir sind gestern so gegen vier oder so eingeschlafen. Ich brauch noch ein paar Minuten.
11.20 Uhr
"Aufstehen?"
"Jap."
Wir scheinen beide beschlossen zu haben, dass es jetzt genug ist mit Rumheulen. Anstatt sich drüber zu beschweren, dass wir es schon wieder nicht geschafft haben, aufzustehen, tun wir es einfach jetzt. Gehen duschen und machen uns fertig für den Tag. Nebenbei bereite ich uns Frühstück zu und fülle die Mitnehmflaschen mit dem neuen Waldfruchttee, den mein Liebster auch ohne Zucker trinken kann. Ich sehe, dass er Schmerzen hat, aber das thematisieren wir nicht. Wir tun einfach so, als wäre alles normal und das fühlt sich gerade für den Moment richtig gut an. Wir machen uns Musik an. Aktuell sind wir beide sehr verliebt in bosnischen Rap. Macht gute Laune und wir mögen die Leichtigkeit, obwohl's Tiefgang hat. Es ist schon lange her, dass morgens Musik lief. Als wir uns kennenlernten war das das erste. Wir sind von Musik geweckt worden. Aber im Strudel unseres Chaos der letzten fünf Jahre sind diese ganzen schönen Gewohnheiten irgendwie verloren gegangen. Schön, sie wieder zurückzubekommen. Man merkt erst dann, wie sehr sie einem gefehlt haben.
"Nala und Jamie kommen übrigens jetzt doch erst am 16. November und bleiben bis zum 24. Die Nachricht kam gestern um viertel vor zwölf. Hab ich vergessen dir zu sagen."
"Ja, alles gut. Dann haben wir da auch mal ein Datum."
"Jup, am 16. ist Gucci noch da, aber damit wird sie umgehen."
"Sicher." Er isst brav seine Armen Ritter und ich meinen Nutellatoast und dann kann's auch schon losgehen ins Fitnessstudio. Heute sparen wir unseren üblichen Gang zu Rewe, weil wir ja schon gegessen und Getränke dabei haben. Wie normale Menschen.
"Ich sag jetzt einfach nichts mehr drüber."
"Hm?"
"Na, über die Schmerzen. Du weißt ja selbst, dass du sie hast. Ich muss es dir nicht dauernd sagen. Ich probiere das die Woche mal okay? Ich ignorier's einfach. Ist ja für den Kopf auch schlecht, wenn er dauernd hört "Du hast Schmerzen. Du hast Schmerzen. Du hast Schmerzen!", oder?"
"Mhm, ja." Er scheint meinen Vorschlag sinnvoll zu finden. "Aber ich will halt nicht, dass du denkst, dass es mir egal ist."
"Aber Bebi, ich weiß doch, dass es dir nicht egal ist."
"Ja. Also machen wir das so?"
"Ist eine gute Idee. Machen wir so."
Okay, neue Strategie, mal sehen, wie es läuft. Wir laufen jetzt erstmal zum Sport.
Ich bewundere meine hübsche neue Jacke in der Umkleide des Fitnessclubs. Die pack ich erstmal noch nur an hundefreien Tagen aus, solange ich noch keine Flecken drauf gemacht habe und das wird so oder so früher oder später passieren. Aber bis dahin ist es meine Ausgehjacke und nachdem wir gerade nirgends wohin ausgehen, außer um unser Training zu absolvieren (wenn wir das denn dann schaffen), ist das eben die Gelegenheit.
Wir trainieren Schultern und Arme und sind damit recht zufrieden. Man muss sich halt durchbeißen, ne?
15.38 Uhr
Ich sehe nach den Pflanzen und stelle fest, dass die Trauermücken traurig sind. Gut so. Das war mein Ziel. Wer unzufrieden mit den vorfindbaren Bedingungen ist, nistet nicht. Und sie scheinen Kaffeesatz, Kümmel und den Schwefel aus den Streichhölzern wirklich nicht zu mögen. Ich will sie ja nicht töten, nur vertreiben. Hier drin brauch ich sie nicht, aber ich habe ja auch persönlich eigentlich nichts gegen sie. Aber sie schwächen meine Pflanzen und das kann ich halt so auch nicht akzeptieren. Also haben sie die Chance, jetzt auszuziehen und eine neue Brutstätte zu finden oder ich hab die ehrenvolle Aufgabe, alle meine Pflänzchen auszubuddeln, abzuwaschen und in neue Erde zu setzen. Ich hoffe, sie entscheiden sich für den Auszug. Könnte die Larven auch mit Backpulver töten oder die Mücken mit Gelbfallen fangen. Aber das passt nicht so in mein Lebenskonzept. Sich selbst treu bleiben kann manchmal ganz schön anstrengend sein.
Danach schreibe ich einen kurzen Blogbeitrag für js.veggy.coaching. Es geht darum, dass man halt selbst so rausfinden muss, was man am besten isst. Meine ehrliche Meinung als Ernährungsberaterin.
Danach beantworte ich ein paar Mails, frage nach einem neuen möglichen Termin mit dem möglichen Kooperationspartner für unser Buchprojekt und schildere Aquas Abgang für die Versicherung. Mit der neuen GOT kommt ja doch ein bisschen was zusammen, wenn man so bissl Diagnostik machen will.
17.30 Uhr
Bisher war ein guter Tag. Basti hat sich an seinen PC verkrümelt und ist im Gespräch mit seinem neuen Hexerfreund. Scheint ein ganz witziger Typ zu sein. Auf jeden Fall sieht mein Freund aus als würde es ihm einigermaßen okay gehen und dafür bin ich sehr dankbar.
17.35 Uhr
"Ach kacke, wir müssen ja das Paket noch finden!"
Es ist vermutlich in den letzten Jahren allgemein schwieriger geworden, seine Post und Pakete zu erhalten, aber in Bad Homburg ist das eine ganz besondere Challenge. Wir haben in der Straße zwei verschiedene Postleitzahlen. Eine für die linke Seite und eine für die rechte. Unsere Pakete fallen auf die Bahnhofsseite, obwohl die Postfiliale direkt im Haus gegenüber wäre. Die Zusteller sind auch verwirrt und so jagen wir regelmäßig unsere Pakete. Wo und ob wir sie finden, ist Glücksspiel. Diesem Päckchen, das wohl in der Postfiliale gegenüber zu liegen scheint (laut Abholschein) rennen wir jetzt auch schon eine Woche nach, aber die Post hatte zu den Zeiten, an denen wir dran gedacht haben immer zu. Vielleicht ist sie ja jetzt noch geöffnet. "Abholschein ist in meinem Geldbeutel. Nimm den ganzen mit, dann hast meinen Ausweis auch gleich."
Es ist tatsächlich da und als ich triumphierend wieder rauslaufe, fällt mein Blick auf eine hübsche kleine Ausstellung. Kunst und Wald. Für einen kurzen Moment tauche ich ab.
17.55 Uhr
Ich schmunzle, als ich die Treppen wieder nach oben gehe. Nächstes Jahr, wenn es uns besser geht, können wir die ganzen tollen Museen hier in Frankfurt besuchen. Als ich Basti kennengelernt habe, hätte ich nicht erwartet dass er ein Typ ist, den man mit in Ausstellungen oder Museen nehmen kann. Er sieht gut aus und hat das Herz am rechten Fleck, das würde ja schon reichen. Dass er sich dann noch als schlau herausgestellt hat, war natürlich der Jackpot, da konnte ich nicht auch noch erwarten, dass er so langweiligen Spießerscheiß mit mir macht. Und deswegen habe ich gar nicht erst gefragt, ob er mich ins Deutsche Museum begleiten wolle, als wir frisch zusammen waren. Als wir uns dann nachmittags trafen und ich erzählt habe, wo ich meinen Sonntagvormittag in Glückseligkeit mit mir selbst verbracht habe, war ich doch recht überrascht, als er mir geantwortet hat, ich hätte ihn ruhig mitnehmen können. War davor schon um mich geschehen, aber da wusste ich ganz sicher, dass der Kerl wie *rsch auf Eimer zu mir passt, auch wenn er manchmal einer ist. Das bin ich auch. Das kann vermutlich jeder manchmal sein.
Als ich mit unserem Paket zurückkomme, wird der Ping wieder schlecht und Basti fliegt aus dem Dungeon. Hat nichts mit meinem Erscheinen zu tun, sondern mit der Internetverbindung via Hotspot, weil erstmal neue Leitungen verlegt werden müssten. Und auf die Handwerker warten wir immer noch... (Wir wohnen seit Mai 2024 in dieser Wohnung).
Er springt auf, steckt das Handy vom Ladegerät ab, legt es an die Fensterbank und sprintet zurück... Doch es ist schon zu spät. Der Timerun ist durch und der Schlüsselstein abgewertet.
"Tut mir leid, Bebi."
"Nervt halt einfach."
Ich stimme zu und schreibe diesen Blogbeitrag.
Danach sehe ich schnell bei Google nach, ob sich der Koriander richtig verhält und stelle fest, dass ich mich ihm gegenüber nicht richtig verhalten habe und durch Nichternten unnötig viel Ernte verloren habe. Urbangarding ist gar nicht so einfach, wenn man keinen Plan hat, was man tut.
18.15 Uhr
Ich logge mich in WoW ein und richte das Interface für meine Jägerin fertig ein, damit die auch mal irgendwann nach Dornogal kommt. Die gammelt noch irgendwo mit ihrem Level 60 in Oribos rum. Geht ja so nicht. (Wenn du keinen Plan hast, wovon ich rede, macht nichts, das ist Gamingzeug).
21.02 Uhr
Basti fährt sein Laptop runter. "Brauch ich heut nicht mehr. Lass uns einen ruhigen Abend machen." Wir beschließen, einen kleinen Beautyabend zu machen und heute mal früher schlafen zu gehen.
Ich checke nochmal schnell meine Mails und trete wieder bei den Grünen aus, weil mich deren Mail dran erinnert, dass ich das schon länger tun wollte. Anfang des Jahres hatte ich so einen Anflug von "Ich muss politisch" werden, aber das ist zum Glück vorbei. Ist einfach nicht mein Thema, vor allem nicht die aktuelle Politik und dann konzentriere ich mich lieber auf die schönen Bereiche des Lebens. Man muss ja nicht überall mitmischen.
Meine Jägerin ist inzwischen Level 71 und hat vielleicht Chancen, auf der Lichtung der Vier zu bleiben. Wär auch schade wenn nicht, sie sieht so hübsch aus neben dem Priester.
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