Offday
- FRAUENBARTH
- 10. Jan.
- 7 Min. Lesezeit
9.00 Uhr
Der Wecker klingelt. Keiner will aufstehen. Törtchen sowieso nicht, Benno hat seine Freude am Urlaub entdeckt und hebt entsprechend nur ein Augenlid kurz an, um daraufhin gleich weiter zu pennen. Mein Freund murrt ein bissl vor sich hin und ich drücke auf "SCHLUMMERN!". Gegen Zehn schaffen wir's aufzustehen und die Hunde ebenso, auch wenn das Törtchen gar nicht begeistert ist.
11.11 Uhr
Wir sind irgendwo unterwegs im Park und ich schaue auf die Uhr. Um vier kommt die Helene, ansonsten gibt's nichts, woran wir uns heute halten müssten. La dolce vita in der Stadt der Champagnerluft - nur die Satireversion. Mir würden auch einige passende KIZ Songs zu einfallen... Bin wohl alt. Vor einem Jahr um diese Zeit ist mir das das erste Mal so richtig aufgefallen und da war ich noch nicht mal 30.
Mal wieder eine Gastrogeschichte, aber diesmal zurück in Deutschland und (ohne Arbeitsinhalt), genauer gesagt im Hotelrestaurant einer Therme im Hochtaunus. Irgendwie süß, aber für mich mit den Öffis ganz blöd zu erreichen. Aber macht nichts, ich hab mich echt über meinen Wiedereinstieg in die Gastro gefreut und hatte ja die Möglichkeit, viele verschiedene coole Aufträge zu übernehmen und tolle Locations kennenzulernen. Service-Paradise sozusagen und je nachdem wo man landet, kann man auch ganz gut Trinkgeld machen. War hier jetzt nicht so der Fall, aber das Team war süß, deswegen hab ich die 1,5 stündige Anreise frühmorgens und die gleichlange Abreise mitten in der Nacht quer durch Frankfurt gern auf mich genommen. Mit den Öffis. Klingt schräg, aber ist wirklich so. Wenn du tust, was du möchtest und was dir entspricht, bist du frei und dann ist auch eine vermeintliche Unannehmlichkeit möglicherweise eine Chance. Für mich zum Beispiel, meine neue Umgebung kennenlernen, Bahnstrecken zu lernen, zu wissen, wo man wie besser oder schneller ist, als die Apps es einem sagen, ect. Aber zurück zum Grundthema. Ich war grad am Eindecken fürs Abendgeschäft und einer der Azubis hat mir geholfen. Ein anderer aus dem Housekeeping war auch da und einer der Kleinen erzählt, dass er grad voll die coole Serie gefunden hat und er sich so freut, weil die ja schon mega alt ist. Game of Thrones.
Warte mal? Mega alt?
"Hä? Was?", fragt der andere. "Aber du kennst Game of Thrones, oder?"
"Ähm ja, ja. Und sooooo alt ist die Serie jetzt auch noch..." ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, weil ich mal nachrechnen muss, wie viel Zeit eigentlich vergangen ist... "Ja doch, gute Serie. Schau's dir an.", empfahl ich dem anderen.
Basti geht's immer noch nicht so gut, deswegen war ich mit den Hunden allein draußen und konnte mit Törtchen gerade den Amazonlieferanten retten, der ein telefonisches Kommunikationsproblem mit meinem Liebsten hatte, wegen Sprachbarriere ein bisschen, aber mehr aus mangelnder Einarbeitung und dem Misstrauen, das man hegt, wenn man am Telefon von einem Anrufer einer unbekannten Nummer die Aufforderung: "Amazon-Passwort" bekommt. Aber wir konnten es klären, der Junge hat eine gute Bewertung bekommen und ich meine neue Tastatur, mein Headset und sogar meine Stiefel sind schon da.
12.45 Uhr
Ich packe meine Pakete aus und freu mich riesig. Ein Leuchti-Halsband ist auch dabei, damit man auch wirklich alle Hunde, mit denen wir unterwegs sind sehen kann (wahrscheinlich müssen wir da trotzdem noch nachrüsten, aber für jetzt reicht's).
"Danke für meine ganzen schönen neuen Sachen, Bebi."
"Du hast es dir mehr als verdient und so lange gewünscht."
Das stimmt und ich freue mich unbeschreiblich. So unbeschreiblich, dass ich es nicht ausdrücken kann. Damit habe ich mir schon schwer getan, seit ich denken kann.
Wir chillen noch ein bisschen, schauen durch Instagram und sind mal mehr und mal weniger schockiert. Eher manchmal mehr ehrlich gesagt. Wilde Zeiten.
Aber Insta geht ja noch, Facebook ist schon länger schwierig, Tiktok ist ja keine Ahnung und alles weitere sowieso irgendwie dem Kaninchen gefolgt, so wie es aussieht. Wird spannend, aber wie neulich schon festgestellt, wer will schon in einem langweiligen Manuskript statt einem spannenden Buch erzählt werden. Wir konzentrieren uns auf das, was wir tun können und das ist auf uns fokussiert zu bleiben. Unsere inneren Werte zu sichern und den Sturm irgendwie vorbeiziehen zu lassen. Haben wir beide schon öfter geschafft, nur halt nicht in so globalem Kontext.
"Irgendwie ist es komisch, oder?", stelle ich fest. "Hm?"
"Alles. Wir sich alles verändert hat. In so kurzer Zeit." Ich bin damit echt irgendwie überfordert. Auf einmal macht die Kirche einen AI-Jesus, was ich als Ungläubige irgendwie blasphemisch finde, für die Institution aber anscheinend völlig okay ist, aber vielleicht sind das ja Fakenews. Wer weiß das schon. Deswegen: bei sich bleiben. Ich kann hier meine Meinung teilen, mein Fühlen und mein Denken und das ist nicht allgemeingültig. Keiner spricht für alle, maximal für eine gewisse Personengruppe, die ihm/ihr/whatever die Macht dazu verleiht. Und ich will doch einfach nur meine Ruhe. Mein Leben lang schon. Ich will in Ruhe schreiben, draußen mit meinen Tieren rumlaufen, ab und zu mal ein nettes Gespräch führen, zeichnen, zocken, arbeiten - natürlich in Begleitung meines Liebsten. Wir haben jetzt schon öfter mal getrennt von einander gearbeitet, aber damit sind wir nicht glücklich und das ist auf Dauer auch nicht gut umsetzbar, weil wir gerne arbeiten und gerne Zeit miteinander verbringen und das geht dann zulasten des Schlafs und so.
15.00 Uhr
Wir gehen mit Törtchen und Bruno nochmal eine kleine Gassirunde, bevor Helene kommt und Törtchen freut sich wieder, dass sie mit "ihrem" neuen Geschirr an der langen Leine wunderbar durch den Park rennen kann.
15.45 Uhr
Wir sind pünktlich zurück zuhause, die Hunde essen noch eine Kleinigkeit und wir machen uns auch noch schnell eine Kleinigkeit, die wir dann essen können, wenn Helene da ist.
16.00 Uhr
Wir nehmen Helene in Empfang und sie ist erstmal verunsichert wegen Bastis imposantem Erscheinungsbild mit den vielen Muskeln, dem Bart und den Haaren. Aber sie fasst sich schnell ein Herz und ihr Mensch begleitet sie bis zu unserer Haustür, damit sie keine Angst haben muss. Bis dahin geht's dann schon und sie findet ihn auch irgendwie spannend. Eine süße kleine Maus, sieht aus wie ein Polar-Füchschen und erinnert vom Flow her ein bisschen an die nette Hündin von den Meßmerleuten. Wirklich nette Menschen und wirklich ein Herz von Hund. Wir wollten sie schon lange mal wieder besuchen...
Aber jetzt ist erstmal das Kennenlernen von Helena, Benno und Törtchen angesagt. Helene ist schüchtern und verzieht sich unter Bastis Schreibtisch. Es müssen einige "Ben-Nooooo's!" fallen, aber alles in allem klappt's erwarteter Weise gut.
17.38 Uhr
Wir gehen alle gemeinsam Gassi und das funktioniert wunderbar. Die Mädels gehen mit mir, der Bub bei meinem Freund. Alle freuen sich über das schöne Wetter und Benno ist nur so ein bisschen anstrengend. Man muss ihm jetzt aber auch mal zu Gute halten, dass er mit mir nicht so grob umgeht wie mit Basti. Er passt schon ein bisschen aufs Kräfteverhältnis auf. Wir reden hier vom an der Leine ziehen oder andere Hunde anpöbeln.
Aber im Generellen passen sich Tiere schon auch an. Das merke ich besonders, seit ich so halbkaputt bin. Aber was in die Richtung geht, geht logischerweise auch in die andere. Zwei Seiten derselben Medaille... Das ist etwas, was Menschen gerne zu vergessen scheinen oder ihnen vielleicht gar nicht bewusst ist: das Tier könnte sich durchaus wehren und dann hast du in den meisten Fällen ziemlich schlechte Karten. Höflichkeit nicht mit Schwäche verwechseln. Und ich sag' ja auch nicht gleich davon, dass jeder Hund einen auffressen könnte... aber ein Biss tut auch weh, ein bisschen gegenseitiger Respekt kostet aber nichts.
Benno geht gern mit Basti, weil er mit dem Raufen und Rennen kann und das kann er mit mir eben nicht. Er versucht es auch gar nicht erst. Er hat vielleicht mal eine "Ich bin ein junger Rüde-Flause" aber alles in Allem geht er mit mir recht anständig (aber das reicht halt an Bewegung für einen Hund seines Typs und Alters auch nicht aus - ein Rentnerspaziergang mit der Rückenkranken).
Als wir heimkommen sehen wir unsere liebe Nachbarin: "Ah hallo! Jetzt sehen wir uns ein Jahr nicht und dann zwei mal an einem Tag!"
"Wie das Leben so spielt! Hab einen schönen Abend, du Süße!", rufe ich ihr nach und komme mir dumm vor, weil sie mir heute morgen auf dem Weg vom der Ampel bis zum Telekomshop schnell erzählt hat, was das vergangene Jahr so passiert ist und dass Omi nach mir gefragt hat.
"Was ist mit diese kleine Mädchen? Wohnt sie nicht mehr hier?"
"Oh und ich dachte, ihr seid umgezogen, also alle. Dass Omi und Opi eine andere Wohnung haben, weiß ich schon."
"Ja, die Zeit. Der Kleine geht jetzt schon in die Schule!"
"Oh wow!" Ich erinnere mich noch an den kleinen Schatz, der mir kaum bis über die Hüfte gewachsen ist, wie er mit seinem Flugzeug an einem schönen Sommerabend über die Louisenstraße hüpft. Leider gab es viel zu selten Zeit für solche Abende. Das ist auch der Grund, aus dem wir uns jetzt fast ein Jahr nicht mehr richtig unterhalten haben: "Die Arbeit.". Bei mir halt zwischendurch noch die Krankheit.
19.00 Uhr
Ich schreib den Blogbeitrag vom Vortag auf meiner supercoolen neuen Tastutur mit Gelpad, damit ich nicht immer eine Sehnenscheidenentzündung vom Schreiben kriege und höre Musik auf meinem neuen Headset, das man vielleicht eher mit 20 tragen sollte, aber da hätte ich mir das halt schlichtweg nicht leisten können. So ist das halt. Die Hunde schlafen satt und zufrieden und Basti ist in World of Warcraft abgetaucht. Basti war irgendwann nochmal kurz bei Rewe, damit wir auch genügend zu Essen da haben.
Ich mache nebenbei die Stories auf Instagram und wir gehen relativ früh schlafen.
"Weißt du eigentlich, was ich so sehr an dir liebe?", fragt er mich. "Hm?"
"Dass du dich über so ne Sache wie ein Hundegeschirr mehr freust als über eine echt teure Tastatur und den ganzen anderen Krempel."
"Ich freu mich über alles! Sehr sogar!"
"Ja, ich weiß. Aber ich hab das Glitzern in deinen Augen gesehen, als das Törtchen das erste Mal damit durch den Park gerannt ist. Du freust dich einfach, wenn andere glücklich sind und das ist was, dass ich an dir liebe."
"Ich liebe dich, Bebi. Danke für alles."
Mit alles meine ich natürlich alles. Nicht nur die Sachen, die ich mir schon lange wünsche oder die Ruhe und den Freiraum, den er mir einräumt, ohne mich dabei "allein" zu lassen. Matcht einfach und dafür bin ich dankbar. Auch dafür gibt es keine Worte.
Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich nicht dran geglaubt, dass man mich um meiner Selbstwillen lieben könnte. Einen Teil von mir, klar, das ist auch einfach. Ich habe einige Facetten, Interessensgebiete, usw. deswegen fühlt man sich gerne schnell mit mir verbunden und erwartet dann offenbar, dass das erwidert wird. Aber die Wahrheit ist, dass ich einfach nur das Mädchen bin, das den Regenwurm vom nassen Teer aufhebt, das einfach nett sein will und dafür keine dummen Kommentare braucht. dafür geliebt zu werden war eine Zeit lang gar Utopie für mich und deswegen wäre ich fast nicht losgegangen, um die Liebe meines Lebens unterwegs zu treffen. Die Umstände waren hart, aber soll ich dir was sagen? Ich würde alles nochmal ganz genauso machen, wenn es zu dem Ergebnis führt, dass ich heute mit diesem Mann im Bett liegen kann.
Comments