Ungewöhnlich gewöhnlich
- FRAUENBARTH
- 21. Okt. 2024
- 7 Min. Lesezeit
8.00 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und gebe Report über die Uhrzeit.
8.05 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und gebe Report über die Uhrzeit.
8.10 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und gebe Report über die Uhrzeit.
...
10.10 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und Basti legt seinen Arm um mich. "Fünf Minuten noch?"
10.15 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und Basti ruft: "Warum ist es denn schon wieder so spät?"
"Keine Ahnung, hab jedes Mal die Uhrzeit angesagt."
Wir stehen auf und gehen ins Bad. Erwartungsgemäß geht es ihm heute schrecklich, mir ganz okay. Bis wir soweit hergerichtet sind, ist viertel nach elf. Dauert alles ein bisschen länger, wenn man eingeschränkt ist und zuvor noch die Schäden begutachten muss. Die linke Seite meines Freundes ist geschwollen, also zumindest der Rücken. Sieht nicht so toll aus. Der rechte Fuß auch nicht, insbesondere der kleine Zeh. Den kann er auch nicht bewegen, aber er will auch nicht in die Notaufnahme, was ich verstehen kann. Haben dort beide nicht die besten Erfahrungen gemacht. Ich trinke eine Tasse Kakao, vereinbare einen Arzttermin, was heute überraschend einfach telefonisch klappt und das obwohl Montag ist und sie letzte Woche - für mich überraschend - zu hatten. Danach springe ich schnell zu Rewe, um Basti Frühstück zu holen. Ich nehme mir vielleicht unterwegs was mit oder esse dann zuhause. Aktuell habe ich keinen Hunger.
An der Kasse lässt mich eine nette Dame mit zufriedenem Kind in Kinderwagen vor. Hab ja nur drei Sachen. Ich bedanke mich und biete ihr kurz darauf an, ihr beim Aufladen aufs Band zu helfen, denn ihr Korb sieht schwer aus und mit einer Hand ist das meist unpraktisch. Sie lächelt mich an und sagt: "Nein, nein, danke! Aber ich lasse mir einfach Zeit und das ist das kein Problem. Es gibt ja schon genug Stress da draußen!" "Da haben sie recht!", sage ich und denke: "Kein Wunder, dass das Kind so entspannt ist." Was für eine nette Begegnung.
12.00 Uhr
Ich steige in den Bus zu Hasi. Heute verschwende ich nicht mal einen Gedanken ans Laufen, sondern warte lieber zehn Minuten und entwerfe derweil ein paar Bilder für Instagram. Währenddessen denke ich darüber nach, dass mein Freund recht hat. Es ist zu früh, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ich kann mich kaum aufrecht halten, auch wenn ich mich nicht schlecht fühle. Auch nicht sonderlich energielos. Nur so, als müsste ich auf jeden Fall sitzen oder liegen. Am besten Liegen, weil Sitzen meiner Wirbelsäule so gar nicht gut tun will.
Bei Bossbunny angekommen entscheide ich mich heute sogar für den Aufzug nach oben, obwohl ich den sonst nur aus Solidarität mitfahre, wenn Basti dabei ist oder ich mit der Hausherrin unterwegs bin. Ich hasse dieses Teil. Aber ich hasse es heute noch mehr, in den 5. Stock hochzulaufen.
Die Fahrt in dem alten Teil klappt komplikationslos und trotzdem bin ich froh, als ich wieder zur Tür rausstürzen kann. Ist nicht so, dass ich ein generelles Aufzugproblem hätte, ich mag nur diese alten, engen nicht.
Ich stecke gerade den Schlüssel ins Schloss, da geht die Tür neben mir auf und ein alter Mann rennt mich fast übern Haufen. "Ach, sind Sie auch mal wieder da!"
"Ja, ähm, ja!", stottere ich und bin nicht sicher, ob ich ihn drauf hinweisen soll, dass ich nicht seine Nachbarin bin, weil ich den Alten zuvor noch nie gesehen habe. Ich entscheide mich dafür und erkläre, dass ich nur der Kaninchensitter bin. Er zieht verwundert die Augenbrauen hoch, fragt jedoch nicht weiter nach. Immer ein bisschen ein komisches Gefühl, in fremder Leute Wohnungen zu gehen, wenn sie nicht da sind. Ein noch merkwürdigeres Gefühl ist es, wenn du in ihren vier Wänden wohnst, wenn sie im Urlaub sind, doch das mache ich nicht mehr. Keine Sorge, ich bin nicht in die Häuser von Leuten eingebrochen, die im Urlaub waren, um dort zu leben, sondern ich habe Hunde im Homesitting betreut. Nach einem Vorfall werde ich dieses Angebot allerdings auch nach Wideraufnahme meiner vollen Arbeitstätigkeit nicht mehr anbieten. Schade eigentlich.
Bossbunny hat mal wieder umdekoriert, findet mich immer noch sche*ße, aber greift mich heute nicht an. Ich bin schnell wieder raus und warte zehn Minuten an der Bushaltestelle. Ich habe heute wirklich keine Lust zu Laufen.
12.53 Uhr
Ich komme wieder nachhause und schreibe den Blogbeitrag von gestern fertig. Nebenbei mache ich ein bisschen Haushalt. Das Geschirr stapelt sich im Waschbecken im Bad, der Staubsaugerroboter will gereinigt werden und das Bettzeug könnte ich heute mal waschen.
14.32 Uhr
Ich trinke eine Tasse Kakao, besuche meinen Dämonenjäger und ernte den Stolz meines Freundes, weil ich mir das erste Mal ganz alleine eine Gruppe suche und als Tank einen Dungeon gehe. Wir schaffen es sogar ohne zu Sterben und alle sind nett. Ein durchweg positives Ergebnis. Vielleicht sollte man wissen, dass ich mich bei Videospielen ziemlich reinsteigern kann. Und Mensch-ärgere-dich-nicht. Alles andere geht. Aber Videospiele und ich haben schon lange eine schwierige Beziehung. Seit der NES und dem Endboss von Supermario.
Während dem Zocken räume ich ein bisschen weiter rum, besorge TK-Gemüse bei Rewe und koche ein bisschen was Gesundes.
17.47 Uhr
Wir essen unseren Buchweizen mit Wokgemüse. Ihm schmeckt seins, mir schmeckt meins nicht. Vielleicht liegt es am fehlenden Ei oder einfach daran, dass mir aktuell einfach nichts schmecken will oder auch daran, dass die Geschmacksknospen meines Freundes toleranter sind als meine. Immerhin habe ich mal wieder was gekocht, die Wohnung ist sauber, es sind noch ein paar Kissen in der Campingwaschmaschine und wir beschließen, uns später endlich an unsere Idee zu setzen. Basti macht noch einen Dungeon und ich ein paar Kleinigkeiten in der Wohnung.
18.39 Uhr
Wir starten mit unserer Idee. Zuvor habe ich noch kurz angefangen, das Schlafzimmer umzugestalten. Jetzt ist es so halb fertig. Mal sehen, ob ich es heute noch zu Ende bringe.
Erstmal ist Brainstorming angesagt und da sind wir recht gut drin, wenn wir mal Ruhe haben und ungestört vor uns hinwurschteln können. Kommt nur nicht allzu oft vor. Inzwischen zum Glück häufiger, aber das war auch viel Abgrenzungsarbeit.
Am Ende sind wir glücklich mit dem Ergebnis und noch glücklicher damit, was wir zusammen alles machen können und beide auch noch Spaß dabei haben. Wenn wir unsere Körper jetzt noch flott kriegen, lässt's sich's ziemlich gut leben und das ist auch etwas, das wir hoffentlich irgendwie wieder in den Griff bekommen.
20.06 Uhr
Ich will mich eigentlich auf den Weg zu Hasi machen, aber ich habe keine Lust, nachdem ich heimkomme noch das Schlafzimmer fertig umzuräumen. Also mache ich das gleich noch schnell, finde mehr Wäsche und werfe die halt auch noch schnell rein. Unter den Schränken kommt auch einiges an Staub raus, also helfe ich Robo-Saugi mit Besen und normalem Staubsauger, wische kurz und bin am Ende sehr viel zufriedener mit der Raumaufteilung. Den Hunden wird es auch besser gefallen und Basti wird froh sein, seinen Nachttisch wieder zurückzuhaben. Da stand bis gerade noch eins der Regale, das hat sich aber nicht als sonderlich funktional erwiesen.
Als das Schlafzimmer soweit fertig ist, dass nur noch der Staubsaugerroboter seine Kreise ziehen muss, um alle restlichen Staubkörnchen zu beseitigen, gehe ich los zu Rewe um meinem Hübschen ein paar Chips zu jagen.
21.29 Uhr
Ich steige in den Bus und fahre zu Hasi. Unterwegs gestalte ich ein paar Bilder für meinen angedachten BiBlog und überlege, welche Themen ich überhaupt aufgreifen will. Wir daten seit Jahren nicht und in den kommenden Wochen sicher auch nicht. Erstmal müssen Körper und Geist fit werden, dann die Wohnung stimmen und wir müssen wieder konstant ins Arbeiten kommen, danach können wir über andere Spaßereien nachdenken. Außerdem müsste sich ohnehin erstmal jemand auftun, der unser Interesse weckt und das ist momentan... schwer.
Hasi schlägt Alarm als ich komme und seine Futterration aufstocke, sein Revier kontrolliere und säubere. Ist schon okay. Ich würde mich auch hassen. Er sieht ja letztendlich immer nur meine Füße.
Diesmal begegne ich niemand im Treppenhaus und an der Bushaltestelle fällt die Entscheidung für den Fußmarsch, weil ich keine Lust habe, zwanzig Minuten auf den Bus zu warten. Ich war heute ohnehin nicht viel in Bewegung.
Auf dem Heimweg sehe ich drei junge - vermutlich - Araber auf mich zukommen. So zwischen vierzehn und sechszehn. Wie man sich es halt von TikTok so vorstellt. Der Mittlere davon ist am Handy. Ich laufe weiter auf sie zu und sie sehen eigentlich ganz goldig aus. Der Rechte scheint ein bisschen aufgeregt zu sein. Als ich zwischen ihnen hindurchlaufe höre ich ihn zu dem mit dem Handy sagen: "Hey, sag dem mal, wenn der nochmal sowas Homophobes sagt, dann wird er schon sehen, was er davon hat." und in dem Moment, bin ich dankbar, dass ich gelaufen bin. Wie süß ist das denn bitte? Und es lässt mich an die Jugend glauben. Es ist so viel Hass und Gewalt in den Medien und im Internet, aber solche Szenen im realen Leben zu erleben, ist doch was Schönes. Jemand, der sich einsetzt und ein Minderheit in Schutz nimmt. Super. Zufrieden lächelnd setze ich meinen Weg nach Hause fort und denke darüber nach, dass die Welt so viel Wundervolles zu bieten hat. Es kommt nur darauf an, wohin du dein Augenmerk richtest.
22.35 Uhr
Ich komme nach Hause, hänge die letzte Wäsche auf, helfe Robo-Saugi zurück auf seine Ladestation, weil ich die noch nicht befestigt habe und er sie immer wegschiebt. Dafür sind wir inzwischen ein eingespieltes Team im Akkuladen. Er ruft um Hilfe und ich kommentiere engagiert, während ich die Ladestation halte. Wäre weniger Aufwand sie einfach festzumachen, aber so ist es irgendwie auch lustiger. Danach schreibe ich diesen Blogbeitrag, esse ein bisschen ekliges, gesundes Essen und fühl mich recht okay.
23.33 Uhr
Wir spielen noch ein bisschen WoW und legen uns dann ins Bett, um die Ideen aufzuschreiben, die wir seit unserem Brainstorming hatten.
Heute war ein guter Tag. Ein ruhiger Tag und ein guter Tag. Es ist nichts Außergewöhnliches passiert und mein Körper konnte auch ein bisschen zur Ruhe kommen. Manchmal reicht das schon und war vielleicht auch das, was ich gebraucht habe.
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