Praktikantenübersicht & Kinderwunsch
- FRAUENBARTH

- 30. Okt.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov.
Seit Anfang des neues Schuljahrs habe ich einen Praktikanten. Er ist 14, sehr engagiert, voller Ideen und interessiert sich für die Tierpflege. Ich war anfangs unsicher, ob ich überhaupt einen Praktikumsplatz anbieten kann, da mein Unternehmen ja noch sehr klein ist, ich größten Teils von Zuhause aus arbeite und ich noch nicht so genau wusste, was er überhaupt tun können soll...

Die ersten zwei Wochen ging's in Blogpraktikum, um erstmal die Arbeit kennenzulernen und seither kommt er jeden Donnerstag. Letzte Woche habe ich ein Tagesprotokoll und ein paar Arbeitsblätter erstellt, die wir seither in seiner Praktikantenübersicht sammelt und darauf abzielt, ihn auch dabei zu unterstützen, das Schulziel zu erreichen.
Heute habe ich etwas Zeit eingeplant, um an diesem Ordner weiterzuarbeiten, die Arbeitsblätter der letzten Wochen gemeinsam mit Matthias zu korrigieren, zwei Neukunden kennenzulernen und einen Gassitermin wahrzunehmen.
Planung wird bei mir oft zu Spontanität. Ein Vorteil der Anpassung, wenn man sie für sich zu nutzen weiß.
7.00 Uhr Der Wecker klingelt. Wir murren, stehen auf, erledigen den Morgenputz, lassen Staubi danach noch ein bisschen weiter rumfahren und gehen ins Bad. Unser Durchlauferhitzer funktioniert ja seit Wochen nicht mehr, aber wir haben inzwischen eine Lösung für warmes Wasser: Gießkanne und Wasserkocher. Wenigstens haben wir gelernt, Wassersparend zu leben und sind froh, dass wir wieder Lösungen finden, statt uns selbst zu bemitleiden, auch wenn die Situation in der Wohnung natürlich bedrückend ist und maßgeblich dazu beiträgt, wie es uns gesundheitlich geht.
8.45 Uhr
Matthias ist da und wir müssen gleich los, um das Monsterchen zu holen. Wir gehen Gassi und nehmen ihn dann doch mit nach Hause, weil sein Mensch kurzfristig einen Arzttermin bekommen hat.
10.30 Uhr
Matthias macht seine Englischaufgaben und ich sortiere ein paar Sachen aus. Auch wenn wir wenig Zeit für die Haussuche hatten, ist sicher, dass wir umziehen, sobald sich das passende Gebäude findet und ich hätte gerne schon alles soweit vorbereitet, dass die Übersiedlung schnell geht. Viel Zeug kommt eh nicht mit und wenn wir ehrlich sind, besitzen wir gerade auch nicht mehr super viel. Wir haben einiges zurückgelassen, wieder und wieder und wieder. Und so bleiben nur ein paar wichtige Erinnerungsstücke, ein bisschen Lieblingskleidung, die Bücher und die Hundesachen. Möbel haben wir ja nicht viele und vermutlich werden wir all unsere Habseligkeiten mit einer oder zwei Autofahrten ins neue Zuhause bringen können. Wird schön, endlich mal wieder eins zu haben. Aktuell haben wir "nur" ein Dach über dem Kopf - auch schon mehr, als andere haben.
Wir bleiben dankbar in unserer Unzufriedenheit mit der Situation. Es könnte immer noch schlechter gehen, aber das ist kein Grund, nicht zu versuchen, sich zu verbessern.
"Wie kommst du zurecht?", frage ich Matthias, der sich gerade mit ChatGPT auf Englisch über Hunde unterhält. "Ja, ganz gut, aber hierzu habe ich eine Frage."
Die klären wir kurz, dann sage ich ihm, er hat noch zwanzig Minuten und dann müssen wir uns fertig machen, um die neuen Hunde kennenzulernen, da erreicht mich auch schon die Nachricht, dass die Kundin gerade angekommen ist. "Okay, Jacke anziehen, auf auf! Wir müssen gleich los."
Matthias gehen direkt, Basti bleibt beim Monsterli und es dauert etwas bis wir unsere Kundin und ihre Hunde gefunden haben, weil das Navi die Leute gern auf die andere Seite schickt.
"Hello Jana, nice to meet you!"
Deswegen brauchen wir auch in einem Berufsfeld wie der Tierpflege. Wir sind Nähe Frankfurt, da bleibt internationale Kundschaft nicht aus. Leider ist mein Englisch schlecht. Auch so ein Schulschaden vermutlich. Bei Französisch ist es schlimmer, aber auch im Englischen habe ich eine Sprachhemmung und das ist sehr ungünstig. Lesen, schreiben, verstehen läuft eigentlich, aber die Wörter die aus meinem Mund fallen klingen wie die eines Kindergartenkindes.
Wenigstens kann ich Matthias am Ende sagen: "Schau, deswegen ist es wichtig, dass wir alle besser Englisch lernen, weil es echt peinlich ist, wenn man kein fachbezogenes Gespräch mit seinen Kunden führen kann oder es so holprig wird. Aber jetzt sag mir erstmal, was du alles verstanden hast."
Er hat einige wichtige Punkte aus dem Gespräch erfasst und ich bin ehrlicherweise etwas überrascht, wie viel davon er jetzt auf Deutsch wiedergeben kann, vor allem weil er selbst Englisch als eins seiner größten Problemfächer einschätzt.
Ich überlege, ob ich künftig einfach am Donnerstagmorgen kleine Teammeetings auf Englisch etablieren will.
Wäre eigentlich clever, dementgegen steht, dass ich mir dann vorkommen würde, wie die Schwester des Hotelbesitzers, in dem wir in Österreich gearbeitet haben. Sie kam eines Tages mit der tollen Idee um die Ecke, aber leider war ihre Sprachbegabung halt gegen Null.
Sie hat diese Meetings dann zwar auf ihre stellvertretende Serviceleitung übertragen, deren Englisch auch dürftig war, aber das hat die Sache unwesentlich besser, wenn nicht sogar schlimmer gemacht. Und die Erinnerung an das 5PM Sharing for Caring Meeting hält mich irgendwie noch ab. Es war schrecklich und das will ich niemandem antun.
Aber auf der anderen Seite... man könnte es auch einfach wirklich als gemeinsame Lernmöglichkeit mit fluider Sprachentwicklung nutzen. Wenn der Anfang mal gemacht ist, wird's ein Selbstläufer... doch der Anfang ist immer das Schwerste.
Matthias und ich müssen schon weiter, denn wir haben noch einen Gassitermin. Im Tannwäldchen treffen wir dann auch wieder einen von meinen neuen Kunden und das Schäfchen und plaudern kurz. "Frau Barth, ist das ihr Sohn?" Ich muss ein bisschen Schlucken, aber erkläre dann doch recht souverän: "Ähhhhm, äh, ne. Das ist Matthias. Er ist mein Praktikant."
"Ich bin der Praktikant!", wiederholt Matthias hinter mir stolz. "Das ist ja schön!"
Also so rein theoretisch wäre es alterstechnisch zwar möglich, dass ich ein Kind in seinem Alter haben könnte, aber dann wäre ich auch recht früh Mutter geworden.
Offenbar erleben viele Frauen einen gewissen Druck, was das Kinderkriegen angeht. Von außen oder innen. Ich erfahre das beides nicht so, aber vielleicht geht das Äußere auch an mir vorbei oder ich hab nicht den Mama-Flow. Ist letztendlich auch egal, ich wundere mich nur immer über die REELS, die fordern, man möge kinderlose Frauen ab 30 einfach nicht drauf ansprechen, weil mir das so gut wie nie passiert. Ich verstehe, dass die Frage im Generellen schwierig sein kann, wenn man in gewissen Lebenssituationen ist, einen unerfüllten Kinderwunsch hat oder etwas Schlimmes passiert ist - aber das sollte individuell und mit Empathie angegangen werden. Meiner Meinung nach.
Als ich klein war, wollte ich keine Kinder - lieber einen Bauernhof, als ich jung war, wollte ich viele Kinder, als ich Jugendliche war, wollte ich nie Kinder, dann wollte ich kurze Zeit normal sein und dachte, heiraten und Kinderkriegen sei eine sinnvolle Maßnahme in diese Richtung, aber glücklicherweise für mich und die nicht existenten Kinder habe ich mich vorher scheiden lassen und meine Heimat verlassen, um allen das Leid einer unglücklichen Regretting Motherhood Story zu ersparen.
Kinderwunsch: Persönliche Gründe
Danach war natürlich erstmal eine Findungsphase angedacht und Singleleben geplant. Das mit der Findungsphase hat geklappt, aber die Liebe meines Lebens habe ich sechs Stunden nach meiner Scheidung zum ersten Mal gesehen. Das Leben nimmt manchmal merkwürdige Wendungen, aber jede hat mich ein bisschen mehr zu mir selbst und der Vorstellung von Dasein nach meinem Belieben gebracht. Auch wenn's oft hart war.
Bevor besagte Liebe, Basti, und ich ein Paar wurden, haben wir in Gesellschaft ein wenig über unsere Zukunftsvorstellung geteilt und wir waren zu dem Zeitpunkt dann irgendwie beide auf "Normales Leben, Haus, Hund, 2 Kinder."
Darauf haben wir die erste Zeit auch hingearbeitet, aber wir hatten beide einen ganzen Transporter voller Altlasten dabei und haben es gemeinsam statt aufzuarbeiten teilweise noch schlimmer gemacht. Auch das war offenbar irgendwie notwendig, weil der Leidensdruck erst groß genug werden muss, um wirklich was zu ändern - und das haben wir 2022 dann auch endgültig getan. Wir haben ein paar Habseligkeiten gepackt und sind ohne Plan B nach Österreich gefahren, um in einem Hotel zu arbeiten und wohnen. Klang nach einem Sprungbrett. War's auch. Anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Aber funktional in der Retrospektive.
Die Kindersache hatten wir bis dahin schon auf Eis gelegt, weil wir beide ja auch einige Dispositionen mitbringen, die gemeinsam vererbt zu sehr schwierigem Gemüt führen könnten - und wir haben jeder für sich schon viel Arbeit mit unserem Kopf. Das sollte man vielleicht nicht potenzieren. Vielleicht zerdenken wir das auch, aber wir sind der Meinung, man sollte, wenn man die Möglichkeit hat, alle Optionen und Szenarien so gut es geht im Kopf durchzuspielen und die Risiken vor allem für das Kind abzuschätzen, bevor es dann überhaupt erstmal an die Planung der Versorgung geht. Neben finanziellen Ressourcen benötigt ein Kind ja auch zeitliche und emotionale Kapazität und auch dafür sind wir zu viel mit uns selbst beschäftigt.
Der nächste Gedanke, der uns von eigenen Kindern abbringt, sind die Beispiele von recht stark auftretenden, zielgerichteten, ehrgeizigen Eltern ist das Nacheifern der Kinder, das deren Selbstwerdung hemmt und durch die Eltern kaum bis gar nicht abzustellen zu sein scheint.
Als wir 2023 in Bad Homburg gestrandet sind und wir die Entscheidung getroffen haben, dass ich mich wieder voll Selbstständig mache, fiel auch der Entschluss gegen eigene Kinder. Das hatte zusätzlich inzwischen auch gesellschaftliche und geopolitische Gründe.
Außerdem wissen wir beide, dass Familie nicht aus Blut besteht und es gibt viele Kinder auf der Welt, die ein sicheres Zuhause brauchen würden. Deswegen ist unsere Lösung für die weitentferntere Zukunft, Pflegekinder aufzunehmen, wenn die Geschäfte aufgebaut und unser restliches Leben ruhiger geworden ist. Ein Meilenstein nach dem anderen und wenn dieser noch ein paar Jahre in der Zukunft liegt oder nie kommt, dann ist das halt so.
Wir vertrauen darauf, dass sich alles zusammenfindet, wenn wir unseren Weg weitergehen.
Nach dem Gassi gehen hat Matthias Pause und ich auch, weil das Monsterli inzwischen wieder daheim ist. Basti ist im Fitnessstudio und ich bin froh, dass es mit dem Reha-Training vorangeht. Ich brauche ihn wirklich wieder an meiner Seite, aber erstmal bin ich schon froh, dass er sich wieder selbst versorgen kann. Das letzte Jahre war echt hart und es gab Tage, da konnte er gar nicht aufstehen und litt unter so starken Schmerzen, dass sogar ich weinen musste.
Ein Beispiel für unsere Sorge bei eigenen Kindern: Bastis Rückenprobleme sind teilweise genetisch bedingt, der Rest rührt von Verletzungen. Was und in welchem Grat vererbt werden würde, ist also nicht abschätzbar. Wär's "nur" das, wäre das ja auch noch kein Grund, wenn ein Kind Krankengymnastik und Physio bekommt, kann man ja viel machen, aber das war's halt auch nicht. Auf meiner Seite der Familie gibt's Herzgeschichten, Stoffwechselproblematiken, Krebs, Herzschwäche und psychische Auffälligkeiten in den weiter zurückliegenden Generationen. Und auf seiner Seite... sieht's ähnlich aus. Nur verschieben sich die Krankheitsbilder ein bisschen.
Und klar, vielleicht kommt nichts davon durch, aber was, wenn sich zwei ungünstige Veranlagungen kreuzen und es noch ungünstiger wird?
Es gibt noch tausend kleine Gründe, die uns vom eigenen Kinderwunsch losgelöst hat, auch wenn ich zwischendurch eine kurze Phase von "mir entgeht was" hatte. So ähnlich als ich in der Kindheit entschieden hatte, Vegetarierin zu werden. "Aber dann werde ich nie wieder Fleisch essen..." Irgendwie war dieser Gedanke total befremdlich und ich hatte Sorge vor allem, was mir entgehen wird, aber dann habe ich überlegt, was mich dieser Impuls kostet: meine Entscheidung und meinen freien Willen.
Ich wollte ja kein Fleisch essen, also was wäre Drama nie wieder welches zu essen?
Ich wollte ja nicht schwanger sein, also wäre es ein Drama, es nie zu werden?
Vielleicht ist es manchmal einfacher, den anderen die Schuld zu geben und zu sagen, die Gesellschaft würde einen unter Druck setzen. Und natürlich formt die Gesellschaft auch das eigene Denken, prägt in gewisse Richtungen und so weiter. Aber im Endeffekt sind wir doch alle selbst verantwortlich für unsere Handlungen, Grenzen und Wünsche.
Nach der Pause putzen wir und lernen um 17.00 Uhr den nächsten Hund mit seinen Menschen kennen.
Für die letzte halbe Stunde setzen wir uns noch an die Praktikumsübersicht und stellen fest, das mal wieder wenig Zeit war, zu machen, was wir uns vorgenommen haben. Wahrscheinlich, weil zu viel auf der Liste stand.
Um kurz nach sechs bricht Matthias nach Hause auf und ich mache das nötigste im Office und verbringe dann den Abend mit meinem Freund in WoW.





















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