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Echt. Chaotisch. Herzlich.

Schön, dass du hier bist! Hier teile ich ehrliche Einblicke aus meinem Leben als tierische Begleiterin, ehemalige Gastro-Tollpatschin und Einzelhändlerin. Es geht nicht um perfekte Karrieren, sondern um echte Geschichten, chaotische Erlebnisse und wie ich mit den Herausforderungen des Alltags umgehe – mal humorvoll, mal herzlich.

Für alle, die flexibles Arbeiten und den Mix aus Spaß und Chaos lieben, bist du hier genau richtig. Bleib dran, wenn du zwischen den kleinen Alltagskatastrophen etwas zum Schmunzeln oder Nachdenken fidest!

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Better Vibes & Hässlichkeiten

8.00 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich stehe auf, lege ein paar Pizzabrötchen in die Heißluftfritteuse und gehe mit den Mädels Gassi. Dudu ist ganz aufgeregt und scheint eine bestimmte Mission zu haben. Die Louise rauf. Bis zum Kurhaus. Da ist richtig was los, weil ja der Weihnachtsmarkt beginnt. "Dudu, gehen wir gar nicht Pipi sondern Bummeln?" Die Granddame (sie hat heute die erste Nacht überhaupt an meinen Füßen geschlafen. Sag ja, wir werden langsam richtig gute Freunde. Abends hat sie mit uns Serie geschaut und wir haben schon eine Idee für sie, wie wir ihr künftig ein bisschen Entertainment bieten können, wie sie es von ihrer Heimat kennt) akzeptiert das, aber sie hat angesichts der Freude der Kleinen auch nicht so viel Wahl. Die Hunde haben schon recht, wenn sie gewisse Wege gehen wollen und wenn sie nur zu einer netten Begegnung oder einem schönen Augenblick führen. Bin ja selbst kein Fan von Hunden in großen Menschenmengen und vor allem bei den zweien ist das ja immer so eine Sache, wen sie mögen und wen nicht, aber heute sind sie happy einfach mitten durch zu gehen und die Lichter zu bestaunen. Nachm Kurhaus ist der größte Trubel vorbei und Dudu entscheidest, dass wir jetzt bereit für den Park sind.


Ich hab kein Handy dabei, aber ausreichend Zeit. Wir müssen erst um kurz nach zwei in Frankfurt sein, also genießen wir die morgendliche Ruhe und treffen einen total süßen, fast tauben Westi, den die Mädels ganz bezaubernd finden und ihn ebenso reizend begrüßen und darauf achten, ihm keine Angst zu machen. Ich kann mich sogar kurz mit den Menschen unterhalten, wir tauschen ein paar Hundeinfos und Nettigkeiten aus, wünschen uns einen schönen Tag und dann gehen alle ihrer Wege. Wir Richtung Heimat und die drei Alten wahrscheinlich auch. Ich bin sehr stolz auf meine Mädels. Sie können nämlich auch ganz anders. Aber wir haben ja jetzt zwei ruhige gemeinsame Tage hinter uns und sind endlich mal alle recht entspannt. Tut mal gut. Jeder mag Frühstücken, als wir nach Hause kommen. Die Granddame frisst schon seit ein paar Wochen besser und hat auch deutlich zugenommen und sogar ich habe Hunger. Dudu frisst eh immer und für Basti mache ich einen Hafer-Bananenshake, damit er seine Medis nehmen kann. Ist so ein Ritual, das wir eingeführt haben, seit feste Nahrung nicht mehr möglich war.


"Wie spät ist es?"

"Zwanzig nach elf."

"Oh schon so spät. Dann müssen wir uns ja voll beeilen jetzt!", stöhnt er.

"Ne, müssen wir nicht. Ist alles fertig. Wir gehen duschen und dann können wir los. Alles easy."


Gesagt getan, wir haben sogar Zeit für unseren obligatorischen Reweeinkauf (endlich mal wieder zu einer - für uns - normalen Uhrzeit) und warten dann auf den Bus.


"Was wollen Sie von mir? Haben Sie ein Problem? Ja, Sie! Sie mit der grünen Tasche."

Wir gucken die Frau, die sich gerade auf die Bank neben uns gesetzt hat ein bisschen entgeistert an und folgen dann ihrem Blick. Da steht ein alter Mann mit Hut und grüner Tasche und blickt gerade stur in die andere Richtung. "Ja, denk ich auch.", sagt sie laut und genervt.

"Ich weiß jetzt nicht genau, was passiert ist und wer recht hat.", sage ich leise zu meinem Freund und gucke nochmal den Alten an. Er linst immer wieder verstohlen rüber und seine Mimik verrät eine abwertende Haltung gegenüber der offenbar für ihn nicht sozial genug hochgestellten Frau. "Noch Fragen?", gibt Basti rhetorisch zurück. Nachdem die Frau jetzt auch entspannter ist, nachdem sie gemerkt hat, dass wir den Mann ebenfalls auf dem Radar haben, haken wir die Sache als geklärt ab. "War schlau von ihr. Kein großes Drama, einfach nur kurz den Blick drauf richten lassen und dann muss es gar nicht so eskalieren.", lobe ich. "Ja, fand ich jetzt auch clever von ihr."

Der Bus kommt und Basti bietet erst der Frau mit Kinderwagen und dann einem Mann an, seinen Flaschentrolley mit in den Bus zu hieven, weil der ansonsten auch echt schwer beladen ist, seine Hilfe an. Die Frau hat ihren Kinderwagen gut unter Kontrolle und lehnt mit einem ehrlich gemeinten Lächeln ab. Der Mann nickt erst und bleibt dann doch stehen. "Ich nehme den nächsten Bus, alles gut.", höre ich ihn noch sagen, aber da drängen weitere Leute in den Bus und ich suche mir schnell einen Sitzplatz, um nicht alles aufzuhalten. Basti kommt ein bisschen verwirrt hinterher. Eine weitere Frau mit Kinderwagen steigt in den Bus und er hat den "Aha"-Moment. "Ach, das ist ja süß. Der ist jetzt doch nicht mit gefahren, dass die Frau und ihr Kind nicht warten müssen."

"Ja, hat er doch auch gesagt, damit du dich nicht wunderst."

"Oh, hab ich nicht gehört. Das ist ja wirklich nett."

"Absolut anständig und das bei der Kälte und er war ja offenbar selbst nicht gerade in der besten Lebenslage."

"Ja, wie ich immer sage, die die nichts haben, die die mal gelernt haben, was wirklich Scheiße ist, die sind auch nicht so. Die, die wissen, was es heißt, am Ende zu sein, sind doch oft die großzügigsten."

Mit 'so' meint er die Menschen, die er die letzten sieben Jahre kennengelernt hat seit er seine Heimat hinter sich gelassen hat, um sein Leben leben zu können.

"Bosheit gibt es überall.", gebe ich zu bedenken, weil ich weiß, dass er mit vielen Dingen recht hat, ich sie aber auch nicht ändern kann. So ist halt die Gesellschaft in der wir (und auch er jetzt) leben.

"Ja, aber diese Willkürlichkeit findet nicht statt. Und außerdem haben die Leute noch ein bisschen Respekt voreinander."

Na, was soll ich auch antworten? Dass wir in einem super gerechten System leben? Dass Deutschland doch total lebenswert ist, dass ich als kleine Prinzessin in meiner Kindheit alles hatte, was ich wollte, essen konnte, bis ich gekotzt hätte, aber das hatte ich im Gegensatz zu vielen anderen Kindern gar nicht nötig... Während er sich nicht nur um seinen eigenen leeren Magen, sondern auch um den seiner Geschwister, Neffen und Nichten kümmern musste. Und was halt sonst noch so anfällt. Das alles haben wir schon tausendmal durch. Es ist nicht gerecht und es wird aktuell auch nicht besser. Wie soll es auch, wo sich die Fronten immer verhärten und wir selbst spüren, wie wir, egal was wir auch versuchen, unsere Tore verschließen, weil wir einfach keine Kraft mehr zu diskutieren haben. Das bisschen Energie, das uns bleibt, müssen wir aufwenden, um die anfallenden Probleme und Alltagsangelegenheiten zu klären, die letzten Traumaklumpen aufzulösen und da kann es schon stören, wenn gelangweilte Menschen einem zusätzlich die Tage schwer machen. Aber darüber haben wir ja in 'Betreff: Das geht gar nicht' schon viel erfahren können.

Heute ist ein schöner Tag. Wir fahren zu den heilenden Händen, die uns wieder Hoffnung schenkten. Es ist Bastis zweiter Termin bei der Osteopathin und wir hoffen, dass seine schlimmen Kopfschmerzen besser werden. Und die Sache mit dem Magen und so, das ist zwar schon besser, aber halt immer noch nicht ansatzweise gut.


"Dein Problem, nein - euer Problem ist, dass ihr zu viel aushaltet. Und nicht genug Radau macht, wenn ihr einen Schmerz habt.", hat meine Mama zu mir gesagt, als ich ihr erzählt habe, wie wenig ernstgenommen ich mich in der Notaufnahme gefühlt habe. Ja was soll ich machen? Ich erörtere Tatsachen und erwarte, dass mein Arzt das dann einschätzen kann. Dafür hat er oder sie das ja studiert, oder? Offenbar ist es allerdings leider notwendig, dass erstmal ein verzweifelter Mann ausrasten muss, weil seine Frau inzwischen völlig dehydriert und unterernährt ist und seit Wochen nichts anderes mehr tun kann, als schreien, damit was passiert. Und dann wartet man dennoch noch vier Wochen auf einen MRT-Termin. Immerhin hatte ich Glück mit dem OP-Termin. Brauchte man spezielle Geräte und die Plätze waren eigentlich eher so den Gelähmten vorbehalten, aber nachdem mein Neurochirurg mich dann mal zu Gesicht bekommen hat (war schwierig hinzukommen ehrlich gesagt), hat er auch festgestellt, dass wir das nicht viel länger so lassen können. Er hat tolle Arbeit geleistet. Am Tag nach meiner OP bin ich zehntausend Schritte gelaufen. Ich war so glücklich.


Und ja, meine Mum hat wohl nicht ganz unrecht. Wenn ich mir so die Geschichten von Leuten anhöre, die tagelang im Krankenhaus verbringen, weil sie ein bissi einen Krampf haben oder ein bissi wenig Lust auf die Arbeit oder sich eine zu suchen, sollte es eigentlich gar nicht so schwer sein, medizinische Versorgung zu bekommen. Man könnte jetzt auch meinen, die Leute können ja einfach lügen... Klar, tun manche vielleicht auch, aber aus Evidenz nach fast fünf Jahren 'Beziehung' mit einem solchen Exemplar kann ich bestätigen: wenn man genug rumheult, hat man auch Erfolg. Das ist halt gerade Trend. Jeder hat was. So wie wir. Alle sind krank. So wie wir. Und dann führt das dazu, dass ich nichts mehr sagen will. Weil ich mir selbst unglaubwürdig vorkomme, wenn ich sage, ich kann grad nicht, weil ich bei so vielen sehe, dass einfach die Faulheit und Bequemlichkeit gewonnen hat. Das macht es mir manchmal schwer, meine körperlichen Grenzen tatsächlich zu definieren, weil diese Gedanken teils übermächtig werden.

Beispiel: Mitte März 2024 "Bebi, vielleicht ist das mein Kopf, der mich nicht aufstehen lässt."

"Also eigentlich glaube ich das nicht. Du kannst das Bein ja gar nicht ansteuern und wenn du versuchst allein zu stehen, fällst du einfach um."

"Ja, aber ich hatte schon immer eine starke Psychosomatik, das kann ja auch mit auf den Rücken gehen. Was, wenn mein Nervensystem einfach zu überreizt ist durch den ganzen Abfuck und dann noch das krasse Arbeitspensum dazu. Vielleicht waren auch einfach 14 bis 19 Stunden Tage zu viel und mein Kopf hat den Sicherungsmodus angemacht. Ruhigstellen. Kann doch sein."

"Ne, also in dem Ausmaß halte ich das einfach nicht mehr für realistisch, Bebi."

"Ja, ich aber schon und ich will wieder laufen können. Also sag ich meinem dummen Kopf jetzt, dass er das wieder freigeben soll und aufhören im faulen Hartzer-Modus rumzugammeln. Kann's doch nicht sein. Ich liege jetzt seit zweieinhalb Wochen hier wie so ein verendender Fisch an Land."

"Hm. Ja, also wie gesagt, schon echt unwahrscheinlich, aber uns passieren ja auch ganz merkwürdige Dinge."

"Wie die Kniescheibe, die einfach raushüpft, als hätte dir gerade jemand ins Bein geschossen?"

"Jup."

Das war im Januar und ist auch eine längere Story.

Ich hab ihm das dann eine Woche lang täglich erzählt, ungefähr so, nicht weil ich ihn zwangsweise überzeugen wollte, sondern weil ich halt geglaubt habe, ich bin mal wieder gestört. Sagen ja immer alle. "Was stimmt denn mit dir nicht?"


Zum Beispiel, wenn ich in Wirtshaus arbeite: "Sag mal Jana, warum arbeitest du denn bei uns?"

"Na, weil ich doch meine Miete bezahlen muss, ihr gut zu mir seid und mein Leben gerade völlig zerbricht. Das weißt du doch!"

"Ja, das alles schon, aber ich verstehe es nicht. Du bist doch reich?"

"Hä?"

"Na, du musst doch nicht bei uns arbeiten. Warum machst du dir jetzt nicht erstmal ein schönes Leben, kommst wieder klar und dann geht's weiter? Also was stimmt mit dir nicht? Warum kommst du hierher?"

"Na, wie gesagt, ich muss meine Miete bezahlen und du weißt ja, wie viel Verlass auf Tussi ist. Wenn's schlecht läuft, ist mein Grundgehalt schon für die Kaltmiete verplant, die Nebenkosten decke ich mit meinem Trinkgeld und ab und an möchten meine Tiere was essen und ich kann das ja nicht alles meine Eltern zahlen lassen."

"Ja, aber..."

"Ne. Weil es nicht mein Geld ist. Ich habe nichts damit zu schaffen. Auch nicht mit der Familie. Deswegen war ich echt angepisst, von den alten Arschlöchern, für die ich auch einmal Luft war, weil sie rausgefunden haben, dass ich 'n Dreherspross bin. Da hab ich schon extra nen anderen Namen..."

"Ach, die Geli hat das doch nicht mit Absicht ausgeplaudert. Die hat sich halt nichts dabei gedacht, aber meine Frau hat den Trotteln schon 'ne Ansage gemacht. Ab jetzt verhalten sie sich wieder anständig dir gegenüber und wenn nicht, komm in die Küche und ich komme mit den Messern raus. Dann sehen wir, wer was wann zu lachen hat."

Köche... so süß. Ist nicht so, als hätten wir beiden keinen Küchen-Service-Krieg gehabt. Brandblasen an den Fingern und "Wenn du mir den Pass nochmal so hochdrehst, werf' ich dir deine Scheiß Teller in die Fresse."

"Dann lauf schneller und hör auf die verdammte Glocke!"

Aber wenn wir uns dann abends auf ein Bierchen zusammengesetzt haben, war alles wieder gut. Diese Familie hat mir ganz viel Kraft gegeben. In einer ganz schwierigen Zeit. Sie konnten nicht mal den Ansatzes des Ausmaßes verstehen, in dem ich mich befand, aber sie sahen die zwei Männer, die ständig irgendwo um mich herum waren. Sie kannten auch beide und waren einigermaßen verwirrt. Mit dem einen habe ich zusammengelebt mit dem anderen war ich noch verheiratet. Und irgendwie waren sie manchmal gemeinsam da und manchmal stand auch nur einer im Dunkeln vorm Fenster und hat uns beobachtet. Fassen wir zusammen: die armen Leute haben leider viel von meinem abgefuckten Scheiß mitmachen müssen und mich oft vor noch größeren Dummheiten bewahrt. Wie einen zweiten Teilzeitjob in der Bar des Mannes anzufangen, der ganz verliebt in meine Mama war, als er ein Jugendlicher war und der, nachdem er auf dem Klassentreffen im Gasthaus, herausgefunden hatte, dass ich eine halbe kleine Dreher bin, ganz versessen rauf war, mich abzuwerben. Natürlich nur, weil ich so einen "super Job" mache oder wie meine Chefin es ausdrückte: "Jana, du hast gar keinen Plan, was du da tust, aber das macht nichts. Die Leute mögen dich und du bist herzlich, denen fällt das gar nicht auf."

Familie und Generationen sind doch was verzwicktes. Während die alten nicht mehr mit mir reden wollten (gerade, dass sie nicht vor mir auf den Boden gerotzt haben), waren die Männer im Alter meiner Mutter ganz begeistert, weil: "Die Yvonne! Die war ja so toll! Die war einfach normal. Nicht so abgehoben und arrogant. Mit der konnte man reden und die hatte immer gute Laune."

"Ja, so habe ich sie auch in Erinnerung."

"Was ist mit ihr passiert?"

"Das Leben."

"Oh. Aber es geht ihr gut."

"Kann man nicht unbedingt so sagen."

"Können wir was tun?"

"Eher nicht so."

"Wie schade. Alle Jungs waren hinter ihr her, aber sie hat sich eigentlich gar nicht so sehr dafür interessiert. Und dann hat sie diesen Immenstädter getroffen..."

"Ja, mit dem ist sie auch noch verheiratet. Das ist mein Papa."

"Achso. Und ist sie in der Beziehung glücklich?

"Seid ihr nicht alle verheiratet?"

"Jaja, stimmt schon. Wie wär's, wenn du uns nach Feierabend noch begleitest. Wär doch nett."

War nett, bis die zwei Gestörten auftauchten und meine Realität klatschte.


2009:

"Kannst du auch was anderes als dumm vorm PC sitzen?"

"Nein, gerade nicht."

"Wenn du nicht schläfst, werden deine Noten noch schlechter. Dann kannst du leider deinen komischen Typ mit den Stinkefüßen nicht mehr sehen."

"Ja. Passt."

Derweil in ICQ:

Ich: 'Wow, schon wieder nervig hier xD'

Er: 'Heul nicht, ich habe Marianne. Das ist schlimmer.'

Ich: 'Find's befremdlich, dass du sie Marianne nennst. Sie ist deine Mutter.'

Er:: 'Wieder super eloquent heute.'

Er: 'Musstest jetzt erst googeln, gell?'

Ich: 'Du kannst mich mal, bin beschäftigt.'

Er: 'Jojo, ich kümmere mich derweil mal drum, der Ruine bei ihrem NoRd-Problem behilflich zu sein.'

Ich: 'hf. bis die Tage.'

Er: 'die ist bis nächste Woche da, sehen wir uns? Kriegst du bis dahin deine Mum unter Kontrolle?'

Ich: 'Forget it. Du weißt, du wo mich findest.'

Er: 'Töfftöff-Reise. Schreib gut, mein kunterbunter Mützenfreak.' N.o.R.d. = Nicht.onanierbarer.Rest.druck


'Es ist drei Uhr. Geh ins Bett!'

'Es ist drei Uhr und du schreibst mir auf Lokalisten. Ich kann das Licht in der Küche sehen. Was machst du denn?'

'Dir schreiben, dass du ins Bett gehen sollst.'

'Um nicht schlafen zu können? Hör auf meinem Deppen zu schreiben. Das geht dich nichts an.'

'Ich mache mir aber Sorgen.'

'Okay. Meine Sache. Halt dich raus.'

'Was soll denn aus uns und unseren Tieren werden? Ich schreibe gerade mit so einem Pferdetyp und der hat mir Tipps gegeben.'

'Wie heißt der?'

'...'

'Hör auf mit dem zu schreiben. Wie lange geht das schon?'

'Er erzählt mir nur was über Pferde. Ein paar Tage. Der ist nett.'

'Achja? Mit diesen Fotos im Profil?'

'Das habe ich ja nicht angeschaut. Er hat mich angeschrieben.'

'Mama!' 'Ich mache mir Sorgen um Donni.'

'Ich auch. Bring sie aus dem hässlichen Stall. Der tut uns allen nicht gut. Und meine Russin will schon spenden sammeln, damit wir nicht mehr so ein assliges Dasein fristen müssen. Das ist peinlich. Echt.'

'Du musst dem Küken nicht alles nachmachen! Wir brauchen keine goldenen Wasserhähne im Stall.'

'ES GEHT NICHT UMS KÜKEN! Mir egal, was sie will. Mir geht's drum, dass Leute, die keine Ahnung von der Materie haben, sehen können, dass es krass falsch läuft. Warum schafft ihr alle das nicht?'

"Können wir uns aktuell nicht leisten."

"Ist Bullshit. Ich habe dir heute in der Schule schnell eine Aufstellung gemacht. Wir zahlen drauf, selbst wenn wir die Arbeitszeit nicht rechnen und du willst das einfach nicht verstehen. Ich habe zu tun. Schau dir meine Kalkulation an. Und hör auf dem Typen zu schreiben."

"Konzentrier du dich mal lieber auf die Schule. Du schaffst das Jahr sonst nicht. Und denk dran: alles wird gut!"

Wir hatten Stall-Mützen mit diesem Slogan. "Alles wird gut!", wenn man es sich nur lang genug einredet. Vier Jahre, die gesonderte Romane bräuchten: das Pferdebuch, das Mama-Tochter-Buch, das Vater-Tochter-Buch, das Mädchen-Nicht-Verstehen-Buch, das erste Erfahrungen mit Jungs machen Buch, das Hallo-Schule-ich-hasse-dich-und entwickle deswegen eine hässliche Vorliebe für Kyle Gallner in Cold Case. Gut, der Typ ist heiß auf seine Weise, aber das Bild ist aussagekräftig, bedenklich und war definitiv ein Anzeichen dafür, dass es ab jetzt für mich hieß, auf der Hut vor mir selbst zu sein, um den ganzen aufgestauten Hass nicht auf einmal im falschen Moment zu entladen.


2010:

Er: 'Machst jetzt mit allem rum, was Titten hat, oder?' Ich: 'Hatte nen guten Lehrmeister.'

Er: 'Fick dich, du bist ein kleines Mädchen. Meine beste Freundin hat recht. Du bist zu jung."

Ich: 'Ich bin erst zu jung, seit ich alt genug bin, öffentlich zu sein."

Er: 'schreibt... löscht seine Nachricht... schreibt...'

Ich: 'Außerdem ist doch okay jetzt. Du hattest Zweifel, sie hat es beendet. Was ist das Problem?'

Er: 'Kannst du nichts selber beenden?'

Ich: 'War so doch viel schöner'

Er: 'Und die drei weiteren Weiber mussten auch sein?'

Ich: 'Offenbar.'

Er: 'Du hast sie nicht alle. Ich trink ne Gaiss.'

Ich: 'Guten Durst, liebe Grüße an Anna.'

Er: 'Viel Spaß mit deinen Schlampen. Wirst schon sehen, was davon hast."


Pünktlich im Turnus pling der MSN-Ton.

'Bist du wach?'

'Sieht so aus.'

'Muss dich sehen.'

'Du bist traurig und betrunken. Das hat nichts mit mir zu tun. Aber du kannst morgen kommen und mir mit meinem neuen Laptop helfen.'

'Übermorgen.'

'Von mir aus.'


"Hey..."

"Hey..."

"War einfach keine gute Idee, eine Beziehung anzufangen."

"Stimmt."

"Hat ja davor gut geklappt."

"Stimmt. Hat sich von meiner Seite auch nichts verändert. Offenbar störst du dich halt an dem Wort Beziehung, aber is okay."

"Versuchen wir's nochmal. So wie früher? Nur Sex und Freundschaft?"

"Ja mal sehen wie es sich ergibt. Aber hatte dir ja im Juni schon gesagt, dass ich anderweitig interessiert bin."


Deswegen waren wir dann ja im Juli auch zusammen, nachdem er sich von seinem ersten Heuli erholt hatte, weil ich nen Typen kennengelernt hatte, der mich wirklich interessiert hat. Ja, deswegen. Und weil "aber was soll ich denn ohne dich machen?" und ich den traurigen Jungen nicth noch trauriger machen konnte. An meinem 16. Geburtstag, den ich besser mit meinem Küken in unsrem Bett in der Dachwohnung verbracht hätte, als sie heulend am Fenster sitzen zu lassen, während ich sein Heuli getröstet habe.



Ja, man wird älter und weiser... Und dann fühlt man sich schuldig,

Rückblende in Rückblende (Willkommen in den Verschachtelungen meines Hirns) - Juni 2010:

weil Papi Zwei einem kurz zuvor ganz stolz als allererster Mensch zum 16. Gratulieren konnte, weil wir zufällig schon vom Volksfest zurück waren, weil wir den nackten Kleinen jagen und nach Hause verfrachten mussten. Der hatte schon wieder irgendwas erwischt, was ihm nicht so gut bekommen ist. Ich war natürlich leise, als ich mich die Treppen runtergeschlichen habe, damit ich Omi Zwei und Opi Zwei nicht zu wecken, wenn man schon mitten in der Nacht im Regen zu nem Typen rausgeht, der doch schon ein paar Jahre älter ist, aber in vertretbarem Rahmen. Also unter zwanzig.)


"Das wird nichts. Außerdem, was willst du mit der Jungfrau? Denk dran, dass ich die Leute schon ein paar Jahre kenne und du gerade in eine neue soziale Gruppe kommst."

"So neu ist sie mir nicht. Ich höre dir zu."

<< Seit 13 Monaten höre ich, was dich bewegt, weiß was du denkst, was du tust, mit wem du es tust und du weißt nichts über mich. Das ärgert dich, aber ich bin völlig fein damit. Ich bin das Rehbein, wie dein Vater mich so schön nennt, wenn ich dann mal mit runterkomme aus deiner Höhle der Despression. Wenn ich dann mal unsere Festung der Einsamkeit verlasse, in der mich nur das Klappern deiner Augenlider gestört hat, mich an den Tisch zu Marianne setze, die mich hasst, weil ich nicht die Babsi bin und ich mir denke: "Schätzchen, die Babsi wäre mir auch lieber, als deine Brut, aber wenigstens klebt noch ein bisschen von ihrer Klasse an ihm.", verhalte ich mich doch auch äußerst anständig und zurückhaltend, um meinen Pseudofrieden den ich in dir gefunden habe, nicht zu stören. Wir sind Freunde auf gewisse Art und irgendwie sind wir es auch nicht. Ich habe die gescheiterten Beziehungen miterlebt, weil du den Verlust von eben dieser Babsi nicht verkraften konntest und auch in deinem Leben viel passiert ist. Ich bin dir nicht böse, es ist alles gut zwischen uns. Du konntest mich nicht einordnen und das war auch meine Absicht und jetzt stehe ich vor dir und kann dir nicht sagen, dass ich dich doch gerne gehen lassen will. Nicht nochmal. Das war beim ersten Mal schon schwer. Aber bevor ich meine P-Sache begonnen hatte, wollte ich das mit uns aus der Welt schaffen. Auf sowas baut man nicht auf. Deswegen hab ich uns auf Eis gelegt und das verkraftet dein Ego nicht. Komm mir jetzt nicht mit Gefühlen, die du nicht empfinden kannst.>>

"Dann weißt du auch, dass das nichts wird."

"Wir haben uns geküsst. Ich glaub er fand mich nicht so abstoßend."

"Und wenn er schwul ist?"

"Joa, wie war das nochmal genau mit deiner Sexualität?"

"Ach fick dich doch."

"Fick du dich. Sag was du zu sagen hast und dann kann ich wieder hochgehen. Küken heult bestimmt, weil sie sich Sorgen macht."

Oder weil sie diejenige ist, die mein Pipi in einem Plastikbecher umrührt, weil ich mir das Ergebnis nicht anschauen will und deswegen zurecht sauer ist, dass ich mich gerade jetzt einfach verpisst habe. Gab ja irgendwie vorher genug Trubel, über den wir noch hätten reden können.

"Scheiß mal auf die. Ich brauch dich jetzt." Er streckt die Arme aus.


"Bin da... wer noch?", sage ich als ich wieder reinkomme. Sie antwortet mir nicht. Sie sitzt auf der Fensterbank. "Wir sind jetzt zusammen."

"Okay. Ich gehe schlafen."


Versagen ist scheiße. Verrat ist beschissener. Schuld. Und Ungerechtigkeit oder auch: opfere, was du liebst, zu Gunsten derer, die dich aufzehren, weil du den Moment verpasst hast, wieder aus ihnen herauszutreten.


2005:

"Ich möchte auf die Maria Stern gehen, wie Mama. Zu den Nonnen."

"Kleine Jungs ärgern halt Mädchen, die sie hübsch finden. Das ist ganz normal. Ignorier sie und sie verlieren den Spaß dran."

Ich ignoriere die Stapel Bücher, die auf meinen Kopf herabsausen und meine Wirbelsäule stauchen, denke nicht über meine Haare nach, weil meine Kopfhaut sowieso schon weh tut und konzentriere mich drauf, meine Aufgaben zu machen. Ich hab schon immer gern Schule gespielt. Mit meiner Oma. Ich hab immer gern gelernt, aber die anderen Kinder beginnen mich aufzuhalten. In der Grundschule war das okay, da konnte ich mich beschäftigen, weil ich auch soziale Funktionen wie das Klassensprecheramt inne hatte. Klar, dass ich das hatte. Ich war ja auch eine Dreher. Da gabs nicht so viel Zweifel für mich. Die Schulentscheidung war nur scheiße und seither stehe ich auf Kriegsfuß mit Pro- und Contra-Listen, weil dich Versprechen wie "eine Theatergruppe", "die Gestaltung der Klassenzimmer durch die Schüler" und "jede Menge Projekte in Physik und Chemie" locken und du dafür das "Vielleicht musst du bei dabei zu sehen, wie jemand ein Tier in Bio öffnet" ignorierst, weil dir das potentiell an jeder Schule passieren kann und ich ja von meiner Familie gelernt habe, dass man auch mal die Augen fest zumachen kann, wenn ein Moment schwer ist, weil er ja vorüber geht.


2006:

"Was wollte dein Deutschlehrer denn von dir?"

"Nichts."

"Wie war dein Tag?"

"Toll."

"Willst du nicht mehr erzählen?"

"Nein, ich möchte Fernsehen und abends zur Springstunde gehen."

"Möchtest du was essen?"

"Nein."

"Vielleicht solltest du wieder anfangen, Fleisch zu essen, damit du Appetit bekommst."

"Nein. Das geht nicht."

"Ich war auch mal Vegetarierin. Für ein halbes Jahr und dann hab ich wieder aufgehört. Oder denk an die Susanne, die einfach nach drei Jahren im Wirtshaus wieder ein Schweineschnitzel bestellt. Dann war der ganze Verzicht ja völlig umsonst. Warum willst du dir das antun?" Was ich höre: "Was stimmt denn mit dir nicht?"

"Ich habe keinen Hunger. Lass mich."

"Willst du nicht der Oma zuliebe was essen?"

"Nein."

"Die ist so stur! Ich hab schon immer gesagt, die hätte eine härtere Hand gebraucht! Der Andy ist einfach zu weich mit euch. Uns haben ein paar Backpfeifen auch nicht geschadet und schau, was aus uns geworden ist."

Ich muss lachen. "Ja. Stimmt."

"Viel zu frech."

Ich stehe auf und gehe. "Wie unhöflich! Was stimmt denn nicht mit ihr?"


Ich überlege, warum mein Deutschlehrer ein Problem damit hat, dass ich mich nicht mit den Kindern anfreunden will. Wozu sollte ich das machen`? Ich habe meine Familie, auch wenn sie komisch ist und zum anderen Teil aus Tieren besteht, meine Freunde im Stall und warum zum F*ck sollte ich denn mit den elfjährigen reden, alter? Was stimmt denn mit dir nicht? Das habe ich ihm natürlich nicht gesagt. Ich habe ja keine Probleme und mache auch keine. Anderen Kindern geht es viel schlechter als mir. Und ich bin ein starkes Mädchen. Also gelobe ich Besserung und sozialeres Verhalten. Der Streber mit den selbstgemachten Klamotten, der wahlweise im Benz, Jaguar oder BMW vor der Schule abgeliefert wird und meist bis zum Eingang eskortiert wird, ist halt unter lauter Schäfchen auffällig. Also passe ich mich an. Ich sehe die folgenden Tage zu, was die anderen Kinder so machen. Viel Unfug. Wenig produktives. Immer dieselben Fragen, die mich mehr und mehr nerven. Aber die Lehrer scheinen das toll zu finden, dumme Kinder, denen sie was beibringen können. Let's try. Wenig später flattert meine nächste drei ins Haus, wäre 2003 noch ein Grund für eine Totaleskalation gewesen, aber inzwischen ist es mir egal Es ist mir alles egal. Außer meine Familie und meine Tiere. Mit Mathe bin ich eh auf dem Kriegspfad und seit dem Schullandheim geht's mir allgemein nicht mehr gut. Waren schlimme vier Tage irgendwie.


2011:

"Jana, kommst du nach dem Unterricht mal zu mir?"

"Warum sollte ich? Hab nichts zu sagen."


"Weißt du, ich mache mir Sorgen um dich." "Das hast du schonmal. Als du noch mein Deutschlehrer warst. Jetzt mag ich dein Fach halt nicht. Was willst du von mir?"

"Ich denke, dass du dich versteckst. Hinter deiner Kleidung, hinter deinen Haaren."

"Jo, klar. Irgendwann muss ich auch mal schlafen und wo soll ich es denn sonst tun, außer hier?"

"Ich mache mit Gedanken, dass du dir was antun könntest." "Mach dir mal lieber Gedanken um die, die in der Französischklasse nicht mitkommen, weil sie nicht selbstständig genug sind."

"Du stehst auf 'ner fünf."

"Ja. Ich wiederhole das Jahr auch, um den Zweig zu wechseln."

"Dafür ist es zu spät."

"Es ist nie zu spät. Schauen wir mal."

"Warum?"

"Hasse diese beschissene Sprache. Die lern ich nicht. Kannst machen, was du willst."

"Du hättest so ein gutes Gefühl für Sprache."

"Ich habe keine Gefühle."

Damit ist das Gespräch für mich beendet und ich gehe. Körperlich, denn geistig bin ich schon Jahre nicht mehr an diesem Ort gewesen. Ich kämpfe hart dafür, die blöden Lehrer nicht mit ihren guten Mitarbeitsnoten an meinem Plan hindern und verweigere sogar das Lordi-Referat bei Ehri, auf das wir uns eigentlich beide gefreut hätten. "Sag mal, was stimmt denn mit dir nicht? Du hast doch alles vorbereitet. Es ist gut. Ich hab's schon gelesen und die Heulmusik von den Mädchen geht mir langsam gehörig auf die, du weißt schon. Mach das doch."

"Brauche die 6." "Ich geb' dir die 6, aber mach doch einfach das blöde Referat. Dann wird's wenigstens mal lustig."

"Ne man, ich rede vor denen doch nicht. Nur damit du was im Lehrerzimmer zum Angeben hast..."

"Dann solltest du auch im Unterricht besser schlafen als zwischendurch einzuwerfen, wie blöd alle sind."

"Möglich."

"An Kur gedacht? Du musst mal ans Meer. Das mit den Atemwegserkrankungen kann so nicht weitergehen. Du musst mal aus dem Stress raus und musst durchatmen. Gibt Möglichkeiten, auch in deinem Alter."

"Erzähl mir was Neues. Geht nicht."

"Stall?"

"Stall."

"Hör auf auf Facebook zu posten, wenn du dort bist und nicht in der Schule. Wir sind alle mit dir auf FB befreundet."

"Mein Problem."

"Du könntest von der Schule fliegen."

"Okay."

Mochte ihn. Mann mit Ehre irgendwie, aber kaputt. Vielleicht nicht unbedingt was für die unteren Klassen, aber ein cleveres Kerlchen für die Kollegstufe und späteren Qs.


Juli 2012:

"Ne, ne. Also ne. Das können wir nicht machen."

"Gib mir einfach den Scheiß halben Punkt, lass mich das Jahr bestehen und ich verspreche, ich verpiss mich auf die VOS, aber macht mir jetzt nicht alles kaputt. Das ist echt assi."

"Hätte man sich vielleicht vorher überlegen und mal anwesend und nicht immer so vorlaut sein sollen."

"Ich hatte einen besseren Schnitt als ..., warum muss das sein?"

"Was stimmt denn mit dir nicht? Du bist doch nicht sie. Du bist du und du kommst nicht durch die 10. Klasse. Leider hast du ja die neunte schon wiederholt... Das heißt... Byebye. Zwei mal in der Mittelstufe wiederholen geht halt nett, gell. Hättest dich besser auf den Unterricht und nicht auf die Tierheilpraktik oder anderes konzentriert, würdest jetzt nicht so dastehen."

Kennst noch den Hochmut und den Fall, oder? Mag sein, dass ich den Informatik- und Physiklehrer nicht so ganz mit Worten unbedacht gelassen hatte... In der Vergangenheit. Aber wenn man ein dummes Muttersöhnchen ist, das keinen Plan von gar nichts hat und alles super langsam macht, muss ich mich halt aufregen. Habe ja schon die kleinen Jungs ertragen, da wollte ich nicht auch noch die Deppertheit mancher ausgewachsener ertragen.


August 2012: "Von 'ner scheiß Schulabbrecherin lass' ich mir doch nichts sagen!"

"Du lässt dir das sagen, weil du eine verfickte REITBETEILIGUNG bist, die keine Ahnung hat und einmal in der Woche ihren fetten Arsch auf dem armen Gaul platziert, der eh nicht mehr laufen kann. Geh jetzt kehren! Und komm mir noch einmal in die Quere oder meinem Pferd zu nah, dann steckt die Heugabel anders. Geh!"

Versagen ist scheiße. Verrat ist beschissener. Gibt ja einen Grund, warum ich nicht rede. Bringe andere nicht auf Ideen. Aber was ich nicht ausgetratscht hab, hat meine Familie gerne für mich übernommen. Aber die Privatangelegenheiten der anderen waren natürlich "nur familienintern" zu behandeln. Als ob's n Unterschied machen würde bei der Offenherzigkeit... Blinde Augen, nur anders.


2013:

"Ne, schaffst du nicht."

"Halt die Fresse, natürlich schaff ich das."

"Ne, wetten wir?"

"Um was?"

"Ein Eis. Du lädst mich ein. Ich akzeptiere auch einen 500gramm Pott Langnesevanille für uns beide, okay?"

"Deal, aber du lädst mich ein. Und kaufst mir meine Schokolade. Sag mal, warum glaubst du, dass ich das nicht schaffe?"

"Ich hab dir 18 Tafeln zum Geburtstag gekauft und musste extra zwei mal an der Kasse anstehen, weil dein blöder Netto mir nichts über die handelsübliche Menge verkaufen wollte. Wir brauchen noch ein Datum."

"Die war im Juli schon aufgefressen. Warum glaubst, du dass ich es nicht schaffe?"

"Halbes Jahr ab jetzt, okay?"

"Sechster August. Warum glaubst du, ich schaffe es nicht."

"Weil du nicht allein sein kannst."

"Halt's Maul. Ich will nichts anderes außer allein zu sein."

"Du bist hier."

"Damit ich meine Ruhe habe."

"Ich bin da."

"Das ist okay. Mit dir kann ich leben."

Und mich in ihren Arm legen und weinen, z.B. als einer aus meiner Jahrgangsstufe mir geschrieben hat, wie verliebt er doch immer schon in mich war und nachdem ich jetzt ja nicht mehr auf der Schule ist, könnte er mir das endlich sagen.

"Außerdem hab ich dich, damit du mich tröstest, wenn ich mich wieder so eklig fühle."

"Wie wegen der Gefühl vom Sockenwichser?"

"Ja man. Aber darum geht's nicht. Warum kann er nicht normal und mir schreiben, dass er mich heiß findet? Warum musste er mir denn auch das antun?"


Er hat nichts schlimmes getan. Er hat mir eine sehr liebe, aufrichtige Nachricht geschrieben und mich damit leider in die Position gesetzt, ihn abweisen zu müssen und damit seine Gefühle zu verletzen und das fühlt sich nach Schuld an. Und Schuld und Ekel fühlen sich zu diesem Zeitpunkt sehr verbunden an. "Ja, was für ein Arsch aber auch! Da würde er sich mal tatsächlich mal für dich interessieren.", spaßt sie. Ich liege in meinem Gammel-Tshirt und den Boxershorts, die ich von der Mutter meines Exfreundes geschenkt bekommen hab, weil sie mir "ja auch ganz gut stehen" und sie recht hat und ich nach meinem Netto-Putzdienst und der darauffolgenden Stunde Duschen keine Lust habe, Kleidung anzuziehen, um das Haus zu wechseln. Brudi weiß eh Bescheid und lässt mich an solchen Tagen rein. Es sind die Tage, in denen sie nicht in der Schule ist. Manchmal geht's halt nicht.


"In der What's App-Gruppe reden sie schon wieder über dich."

"Was ist What's App?"

"Das würdest du wissen, wenn du es dir runterladen würdest."

"Brauch ich nicht den neumodischen Quatsch. Muss doch so schon dauernd meine Nummer wechseln. Und wenn man da Gruppen erstellen kann, wo soll das hinführen?"

"Man kann sogar Bilder senden."

"Ja, fick dich doch. Das hat noch gefehlt. Als hätte Chatroulette nicht schon gereicht."

"Das ist irgendwie... was anderes."

"Mir egal. Warum glaubst du, ich kann nicht alleine bleiben? Ich kann sehr gut allein sein. Ich bin's nur leider nie."

"Ach, hast du übrigens mal auf Facebook geschaut? Die Hexe hat ein Opfer gefunden. Richtig hässlicher Typ. Wird dich freuen."

"Ne... die fickt einer? Krass. Das hat ja nicht mal mein Alter fertig gebracht und da war das Auswahlverfahren ja eigentlich gar nicht soooo streng. Dumm, wenn man einem den Kerl ausspannen will, sechs Wochen mit ihm 'zusammen' ist, während er lieber seine Nachbarin beglückt... Karma."

"Ja warte."

"UH! Oh! Ah, was ist das denn?" "Witzig oder?"

"Neeeee, ne, wirklich gruslig."

"Jo. Was ist jetzt mit dieser P-Sache?"

"Du bist meine P-Sache."

"Du kannst nicht allein sein."

"Fuck you."


Hochmut kommt vor dem Fall. Sie machte meine P-Sache zu ihrer, ich nahm mir aus Rache für den Bruchteil einer Nacht, das was sie wollte, praktischerweise zur sozialen Gruppe meines Exs gehörte, auf den ich zu dem Zeitpunkt wirklich sauer war, weil ich alles auf der einen Seite ein bisschen zu persönlich und auf der anderen Seite zu unpersönlich genommen habe, und bin demjenigen sehr dankbar, dass er mich an diesem Abend zu sich mit nach Hause genommen hat, anstatt mich meiner Wut folgen zu lassen und ihnen in ihrer aller kleine traurige Welt zu folgen.

Die Musik dröhnt. Es ist ungefähr zwei. Sie hat mich verraten. Sie hat mich wirklich verraten und das für ihn. Alter. Sie war die, die mir noch geblieben ist. Die mit meiner Veränderung klar kam und die mich trotzdem noch als ihre Vervollständigung statt Freundin sah, weil unsere Art zu sein einfach anders war als mit andern. Wir waren gemeinsam dumm und unbeschwert. Mädchen. Einfach zwei Mädchen. Mit normalen Mädchenproblemen. Das Spielt spielten wir gut. Wir buken vielleicht ein bisschen viel Rum in meine Geburtstagskuchen, den ich zu meinem 18. mit in den Chemieunterricht brachte und gemeinsam mit dem Sohn eines meiner vier Hausärzte* am Tag der Unabhängigkeit getrost feiern konnte, weil ich ja schon wusste, dass ich nen Abflug machen werde. Ich hab mit ihr meinen Führerschein geholt, sie war höflich, ich teilte der Geo-Tante mit, dass ich den Ort jetzt verlassen würde. "Du kannst doch nicht einfach gehen!"

"Falsch. Ich kann doch nicht einfach hier sein. Ich bin krank geschrieben. Kein Versicherungsschutz und so. Ich hol mal meinen Führerschein. Bye ihr Opfer."

Und dann sind wir abgedüst, haben 'nen Adapter für den Zigarettenanzünder geholt, damit wir 'nen Mehrfachstecker reintun konnten und wurden von dem Expert-Typ voll übers Ohr gehauen, weil er gemerkt hat, dass wir keinen Plan hatten. Aber war wurscht, wir hatten unseren Spaß und dann auch Musik, dank meines alten Laptops und den ganz alten Boxen von meinem Tower, auf dem ich mein erstes Buch aufbewahre, das ich geschrieben habe, um mir eine Hütte aufm Berg kaufen zu können (um alleine zu sein, mit meinen Tieren, also vielleicht hat sie doch recht. Aber weg von Menschen halt).

Wir haben auf relativ kurze Zeit sehr viel gemeinsam erlebt und bei ihr konnte ich meine Wunden lecken. Sie kannte sie alle, die die zu Narben wurden, die ich bis heute mit mir trage und die, die wieder vergehen. Sie hat die Fotos vom blau-lila-Handabdruck auf meinem Hals gemacht, den ich als fehlgelaufenes Sexspiel deklarierte. Wie so vieles. Besser als zuzugeben, in der letzten Nacht halb erwürgt worden zu sein, weil die Psychose ballert. Oder nicht? Wer weiß das schon. Sie wusste, wie es mir ging, warum ich mich verhielt, wie ich mich verhielt und sie hatte eine clevere Idee, mir dabei zu helfen, wieder stabil zu werden. Fordere mich heraus. Ich darf nicht versagen. Und dann macht sie das? Really? Meine Gedanken drehen sich und ich sehe die Jungs. Auf ihre Art, haben sie wohl immer irgendwie versucht auf mich aufzupassen und sie konnten ja auch nichts für meine Umstände. Ich steure an ihnen vorbei auf den Typ zu, von dem ich denke, dass ich finde, was mich ganz gehen lassen kann.


"Gib mir was!"

"Was willst du?"

"Was hast du?"

"Was du willst. Für dich sowieso."

"Keine Ahnung..."

"Koks, Kristall, nur bisschen Weed..."

"Hey, halt dich zurück, die gehört zu uns." Er versucht sich hinter mir aufzubauen, aber er ist nicht sonderlich groß. Wirkt irgendwie lustig, wenn man es in 3rd Person betrachtet. Kurz danach packt er mich an den Schultern und schreit mich an: "Was stimmt denn nicht mit dir? Musst du alles kaputt machen? Ich weiß, du hast gerade eine Scheißphase, aber das ist nicht der Weg. Wir haben uns das hier alle nicht so ausgesucht, sei froh, dass du anders aufgewachsen bist. Jetzt mach was draus. Und ja, von mir aus, trinke. Trinke heute Abend, ich zahle, ich halt deine Haare wenn du kotzen musst, aber du musst mir versprechen, dass du niemals was anderes tust als Trinken und ein bisschen Gras rauchen, okay?"

Irgendwie bin ich gerührt. Ich verspreche es und habe das bis heute gehalten, auch wenn die Gerüchteküche anderes auf den Tisch gebracht hat. Wir verbringen den Abend gemeinsam und die Nacht. Ich erinnere mich an den Film, den wir angeschaut haben. Da konnte ich das nämlich noch.


Irgendwann viele Jahre später:

"Ah, ich hab übrigens den Typ getroffen, mit dem du mal geschlafen hast."

"Was bitte, Papa?"

"Naja, du weißt schon, der eine. Da ausm Gammelviertel."

"Achja, den meinst du. Und wie kommst du auf die Idee, dass ich mit dem geschlafen habe?"

Was ich tatsächlich nicht habe, weil ich seine Grenzen respektieren konnte. Sollte man als Frau genauso beachten wie als Penisträger.

"Na, ich hab dich doch von dem abgeholt in der Früh."

"Es war elf, ich war um 11.07 Uhr unten und ich musste ja auch irgendwann meinen Rausch ausschlafen. Wir waren erst um halb sechs oder so bei ihm. Aber andere Frage, warum denkst du, dass ich eine Hure bin?"

"Das denke ich nicht."

"Offenbar tust du das. Denkst du denn, ich hab mit allem gefickt, wovon du mich abgeholt hast? Aber ja stimmt ja..."


Juli 2013:

"Ich wusste, du schaffst es nicht. Ich will mein Eis."

"Wenn du es kaufst. Ich führe keine Beziehung."

"Doch, seit zwei Wochen. Sieht doch jeder."

"Nicht damit man. Ich brauch n Platz zum Pennen und Carry will den Bauer nageln, aber da will ich kein Part von sein und außerdem ist das Sofa da immer total voll mit lauter komischen Vögeln. Außerdem geht's mir um das Weib."

"Du willst die gar nicht. Du denkst nur, dass sie verfügbar ist. Und sie will diesen hässlichen Kerl. Was willst du dann mit ihr? Was ist los mit dir?"

"Keine Ahnung."

"Ist es wegen ihr?"

"Ja, mag sein."

"Das ist so dumm."

"Ja. Das ist es. Aber ich kann sie nicht gewinnen lassen."

"Ist es dir das wert?"

"Wird schon nicht so tragisch werden. Immerhin kann ich dem alles erzählen."

"Du kannst mir alles erzählen."

"Mach ich ja grad."

Und außerdem erzähle ich gar nicht so viel, ich höre nächtelang zu und habe schnell den überblick einer nicht so spannenden Lebensgeschichte.

"Du merkst dir nicht mal den Namen von dem Kerl."

"Warum auch? Trottel, der eklig genug ist, das Ding zu begatten."

"Okay... Und deswegen schläfst du in sein Bett, aber bist nicht mit ihm zusammen."

"Ja, er soll mein schwuler bester Kumpel werden. Ich brauch einen, hab ich beschlossen. Hab ich ihm gesagt und er war einverstanden."

"Er ist nicht schwul."

"Bisexuell und die Frauen kann er ja aussparen in meiner Gegenwart."

"Ihr habt euch geküsst."

"Nur einmal als er mich ewig belabert hat und wir zu viel Wein getrunken hatten."

"Du rauchst Zigaretten."

"Ich kaufe selbst kein Gras. Habe ich nie."

"Du hast aber auch nie zuvor zwei Schachteln Zigaretten am Tag geraucht."

"Jaja, das geht ein her. Wenn es anzüglich wird, sage ich einfach: Komm, wir gehen eine Rauchen. Das klappt schon."


Es hat nicht geklappt. Hochmut und Fall. Wenn du bis hierher gelesen hast, hast du dir dieses Leckerlie jetzt verdient: Den Typ, den meine süße P. mir auf Facebook gezeigt hat, ja genau der Uh! und Ah! Typ wurde 2017 mein Ehemann. Im Kreise von "den Engsten", weil ich ja nicht so sehr überzeugt von meinem Vorhaben war, das eigentlich hätte gar nicht stattfinden sollen und wenn mal ein Mensch auf der Welt seine Arbeit macht, warum muss es denn zum Teufel nochmal die Standesbeamtin sein, die sich so drauf freut, die 100.ste Ehe in Sonthofen dieses Jahr zu schließen. Warum? Sie hat sich auch noch so viel Mühe gegeben, obwohl ich mir so viel Mühe gegeben habe, ihr zu signalisieren, dass das eine ganz scheißidee ist. Außer mit Worten, weil die gegen dich benutzt werden. Aber zum Beispiel mit "Sorry, ich hab aber gar nicht genug Geld für die Anträge dabei. Nene... sorry, ich schaff's jetzt echt nicht mehr zur Bank zu gehen." (Alter die Bank ist direkt gegenüber, mach dein Hirn an)

Aber die clevere Maus hatte die passende Lösung, weil sie im Haus ein EC-Gerät haben, bei dem man Bargeld abheben kann. Super! Sie hat ja auch netterweise möglich gemacht, dass der Trauraum (heißt das so? bin keine sehr erfahrene Braut) doch nicht für das Seminar an dem Tag belegt werden musste. Das ist doch Schicksal.


August 2013:

Ich hab was vergessen und muss nochmal schnell in die Wohnung. Voll im Stressmodus, weil ich nichts anderes mehr kenne. Heute geht's endlich mal ins Melodrom. Ich träume schon seit Jahren davon, einfach mal nur wie in junger Mensch in einen Club zu gehen, auch wenn es nur so ein kleines Szenesding ist. Vielleicht ist da der Flow, den ich zum Ausgleich zu meinem sonst recht spießig gewollten Leben suche. Ich öffne die Tür und bleibe im Stock stehen.

"Warum suchst sie sich denn immer nur die furchtbarsten aus." "Keine Ahnung, vielleicht vögeln die besonders gut."


Und bin beerdigt. Ab einem gewissen Punkt haben meine Eltern sich schwer getan, mein Verhalten nachzuvollziehen. Ich glaube das war, als ich so drei oder vier war. Und dann waren wir manchmal alle verwirrt.


November 2017:

Meine Mama weint, als sie mir die Haare hochsteckt. "Ich hab mir doch ein schönes Leben für dich gewünscht. Und jetzt hast du nichtmal eine Trauzeugin."

"Muss nicht noch mehr Leute traurig machen."

Außerdem war es schon hässlich genug, die Frau, in die du in Wirklichkeit verliebt bist, vorzuschlagen, deine Trauzeugin zu werden. Oder Co-Trauzeugin, falls Küken sich die Ehre geben würde, was nicht zu erwarten wäre, weil wir uns irgendwie verloren haben, nachdem wir uns einen kurzen Moment wiedergefunden hatten. Oder meine Russin, die mir schon ein paar Jahre zuvor gesagt hat, sie könne so nicht mehr weitermachen und mir nicht länger zuschauen, wie ich mich kaputt mache und ich sie gern hab gehen lassen, weil ich wütend war und es ist manchmal einfacher, auf Stellvertreter wütend zu sein? Naja, was soll ich sagen?

"Wir haben eine Limousine. Mit Schmuck drauf."

"Nur weil die Türken letzte Woche geheiratet haben und dein Mann wird selbst fahren."

"Ja und wir können uns hinten betrinken, ist doch toll."

"Du gehst um 15.00 Uhr arbeiten."

"Ja war auch ein bisschen angepisst, aber ihr kümmert euch bestimmt gut um ihn. Wie wär's, wenn ihr mit ihm einen Ausflug nach Kempten macht und ein paar hübsche Fotos macht. So vom Hochzeitstag. Und ich arbeite einfach und dann überlege ich das Essen mit meinem offiziellen Schwiegerdrachen am Abend, trinke ganz viel und schlafe ganz fest."

Sie weint noch mehr. "Ist doch toll. Ich hab jemanden gefunden, der mich lieben kann. Weißt du noch? Und jetzt mach ich's offiziell."

Hatte ja schon oft genug versucht, das zu beenden, aber ich bin ja "auch ganz schön schwierig und oft ein Biest, d muss ich halt mal milde sein. Außerdem wäre ich sonst irgendwann in Zugzwang mit der Frau gekommen und die hätte meine Gefühle halt wirklich verletzen können. Weil's zumindest für mich echt war. Und für was Reales war ich einfach noch nicht bereit. Also hab ich geheiratet. Paradox.


*Arzt, der in unserer Familiengeschichte immer mal wieder auftaucht "À la: Nicht so viel rote Beete essen, dann pinkelt man auch nicht rot." und im späteren Verlauf mit "Ja, klar kann ich das wieder einrenken! Setzen Sie sich mal so hin Herr Bauer" Nachhaltig in meinem Leben integriert ist. Hoffen wir die heilenden Hände können den Schaden beheben. Und so schließt sich der Kreis. Ein kleiner Teil davon.


"Bebi, bitte! Das muss aufhören. Ich brauche wirklich deine Hilfe! Mir wird das zu viel mit der Arbeit und den Hunden und dem Haushalt und dem Knie. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Du musst deinen in den Griff kriegen."

Nach der Woche hatte ich ihn erfolgreich überzeugt, dass ich gar nicht körperlich, sondern nur Kopfkrank bin und er versuchte, damit umzugehen. "Steh auf.", fleht er. Ich stehe auf und falle wieder um. Ich stehe auf und falle um. "Bebi. Bitte. Lass das. Leg dich wieder hin und finde raus, was nicht stimmt. Ich muss wieder los. Zur Arbeit. Bitte bleib aber im Bett, bis ich wieder da bin, sonst muss ich mir die ganze Zeit sorgen machen, dass du irgendwo mit aufgeschlagenem Schädel auf dem Boden liegst."

"Gebe mein Bestes" und krieche wieder ins Bett.

Ich habe schon anfangs festgestellt, dass Trauer und Wut meine Schmerzen verstärken. Wut vor allem im Beckenbereich. Daher kommt ja auch der Gedanke, einfach nur gestört und faul zu sein.

Wie sich rausgestellt hat, waren ja dann doch die Wirbelsäule und der verlegte Nerv das Problem, aber das wusstest du ja bereits.


Warum habe ich diese kleine Zeitreise eingebaut? Weil sie die Folgen von Konditionierung, nicht Anerkennen und sich seiner Realität nicht stellen sehr gut darstellt. Wir sind ein Sammlung aus Erlebnissen und die Summe macht uns, zu dem, was wir sind - und wenn wir nicht aufpassen, vergessen wir, wer wir waren.


Heute, 14.00 Uhr

"Wir sind zu früh."

"Ist doch gut."

"Ja."

Ich lese ein bisschen in "Die Frauen aus Capri" und muss an meine Mama denken. Ich bin sehr stolz auf sie. Sie hatte viele düstere und dunklere Zeiten hinter sich, da darf endlich mal wieder die Sonne scheinen.


15.15 Uhr

"Wie war's?"

"Die ist so krass. Ich hab gar nichts gesagt, aber die hat alle Punkte getroffen, die wir gestern schon besprochen haben."

Ich kann's immer noch nicht so recht fassen, dass es jetzt endlich wieder bergauf gehen könnte.


Wir gehen noch kurz in der Zeil auf die Toilette und ich stehe schon vorn, als ich von den Toiletten her wildes Gequietsche höre, dann die aktuell recht freundliche, lockere Stimme meines Freundes und dann pest eine wildgewordene Frau an mir vorbei. "Was hast du dich denn einzumischen, du ...!" Sie rennt an mir vorbei, ihr Mann reagiert und dreht sich meinem Freund zu. Er checkt nicht, dass wir zusammen gehören. "Hast du ein Problem?", kläfft das Dickerchen, um cool vor seiner Frau zu tun, vor der ich sich zum Wichsen Bad verstecken muss. Also einer von diesen Typen halt, die erkennt man ja gut. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, er zuckt zusammen. "Ja, gibt's ein Problem?"

Die Furie dreht um und springt wieder auf Basti zu. "Was hast du überhaupt dein Maul aufzumachen, du Asozialer!"

"Denke die Damen dort einfach zu beleidigen, weil man selbst zu blöd ist, höflich zu fragen, ist eher das asoziale..."

"Wie nennst du mich?"

"Ach, jetzt halt doch mal dein Maul du hässliche Kuh!" Mach ich normal nicht, aber mir fällt zu dieser Person einfach nicht ein, weil "dumm" schon zu sehr auf der Hand liegt. Das hört die so oft, da ist die bestimmt taub dafür. Normalerweise mach ich das ja nicht... Besser als dem ersten Impuls zu folgen und ihr meinen Ellenbogen ins Gesicht zu rammen. Und die paar Worte purzeln halt einfach raus. Irgendwann ist das Maß auch mal voll.

"Hässlich? Hässlich? Ja das musst du ja grad sagen! Du bist hässlich!"

"Ja, okay. Ich leb damit."

"Ja, aber... genau. Du nennst mich hässlich aber bist selber hässlich und musst dich hinter deiner teuren Kleidung verstecken!"

Oh nein Fräulein. Ich muss mich nicht verstecken. Vor allem nicht vor dir. Mindestens 150% so alt wie ich und naja... Das Dickerchen muss wirklich zum Wichsen aufs Klo, ehrlich. Ich versteh das.

Ich wende mich nochmal um, um meine Jacke zu öffnen und das super teure Bitchkleid von Comma aus dem Nachlass meiner Oma zu offenbaren. Ich hab's heute angezogen weil's schlicht und schwarz ist und die pastellrosa Jacke an mir doch auffällt, weil sie 'nen Bruch zu meinem Wesen bringt. Richtig RitchBitch halt. Und das in der Zeil in Frankfurt. Wo wir, also ich und mein Freund 50 Cent jeweils(!) für die Toilette über hatten und die Mitarbeitenden dort nicht übern Haufen rennen und beleidigen mussten, dass sie ihre Arbeit machen, doch einfach nur unseren Frieden wollen. Aber halt auch nicht zuschauen können, wenn's unfair wird.

Sie hält nicht ihr Maul. Wir laufen schon lang weiter und sie kläfft uns hinterher. Mit Mann und Kind. Das Kind hat sie jetzt als Schutzwall vor sich geschoben. Wir stehen auf der Rolltreppe, als ich mich wieder umdrehe. "So, Maulhalten hieß es, oder? Ist doch peinlich langsam. Schau mal, du hast ein Kind dabei."

Wir sind laut. So laut, dass es auch jeder mitkriegt. Pummelchen will was sagen, doch dann macht Basti seine Jacke auf. "Du Hässlicher...", stammelt die Frau. Hab sie wohl in eine Schleife geschickt. Glückstreffer. Der nächste ist weniger glücklich, sondern leider offensichtlich. "Schämt euch. Menschen wir ihr, machen unser Land kaputt. Das Land, in dem euer fettgefüttertes Kind Leben soll. Geht die AfD wählen."

Jetzt schauen wirklich alle und es ist Ruhe. Hässlich halt. Die Politiksache.


"Um was ging's eigentlich?" "Sie hatte kein Geld dabei und war dann super unhöflich und wurde abgewiesen."

"Ja, wo war das Problem."

"Dass sie die armen Frauen anschreit, wie unhöflich sie sind und dass sie ihr Geld nicht verdient hätten und ich dazu gesagt hab: 'Also ich finde die Damen hier immer sehr höflich.' und das fand sie gar nicht so gut."

"Achso ja. Du hässlicher Asozialer. Was sagst du auch, dass die Leute eigentlich nett sind. Betreff: Das geht gar nicht."

"Genau, das führt dann dazu. Schöne Überleitung."

"Danke."

(Falls du bei diesem Gespräch nicht folgen kannst, liegt es an den Zeitlinien. Wir knüpfen halt manchmal wieder an, wo wir irgendwann aus irgendeinem Grund aufgehört haben. Deswegen macht das, was wir zueinander sagen für Außenstehende nicht immer Sinn.)


"Warum muss das denn immer sein? Ich will mich doch gar nicht aufregen müssen."

"Weiß nicht, Bebi. Ich weiß es nicht." Wir sind gerade Gassi und resümieren unsere Begegnungen. Die Hässlichkeit in der Zeil mal ausgenommen, wars ein super angenehmer Tag. Die niedliche Ungarin hat uns kurz zuvor aus ihrem Auto herausgeschrien, dass wir uns unbedingt mal wieder sehen müssen und wir haben zurückgerufen, sie soll uns einfach schreiben. Ich hab bei der Osteopathin eine Mama getroffen, die ihr Baby behandelt hat, wie man es behandelt, also wie ein Lebewesen und die Handy-und Kopfhörererzeugerinnen ignoriert. Die Hunde sind gut drauf, Bastis Zustand ist ganz, aber als wir vom Gassi zurückkommen, brauchen wir erstmal ein Nickerchen.


Dann geht's nochmal Gassi und wir bringen mit meiner Todesritterin noch einen Dungeon durch. "Alles in allem? Guter Tag!"

"Absolut!" Gegen drei schlafen wir dann.







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