top of page

Echt. Chaotisch. Herzlich.

Schön, dass du hier bist! Hier teile ich ehrliche Einblicke aus meinem Leben als tierische Begleiterin, ehemalige Gastro-Tollpatschin und Einzelhändlerin. Es geht nicht um perfekte Karrieren, sondern um echte Geschichten, chaotische Erlebnisse und wie ich mit den Herausforderungen des Alltags umgehe – mal humorvoll, mal herzlich.

Für alle, die flexibles Arbeiten und den Mix aus Spaß und Chaos lieben, bist du hier genau richtig. Bleib dran, wenn du zwischen den kleinen Alltagskatastrophen etwas zum Schmunzeln oder Nachdenken fidest!

Ähnliche Produkte

Zeitreise - Der Moment der 5 Jahre

Aktualisiert: 31. Okt. 2024

Trigger: Krankheit & Tod, Gewalt (in Beziehungen)


3.01 Uhr

Ich liege an die Schulter meines Freundes gekuschelt da und denke über mein Leben nach. Wenigstens ist heute seit längerem Mal wieder eine Nacht, in der ich auf Opioide zurückgreifen muss. Also nicht gut, dass ich's muss, aber gut, dass die Phasen länger werden. Die letzten 24 Stunden waren anstrengend, denn wenn ich auch offensichtlich nichts tue, renne ich in meinem Kopf ständig irgendwelchen neuen Quests meiner inneren Chromie hinterher (Ja, das war eine WoW-Anspielung). Es läuft irgendein Hörbuch, aber ich kriege nicht mit, worum es geht. Willkommen im Normalzustand (den ich nicht mehr haben möchte).


Eigentlich sollte ich wieder das tun, was ich immer tun wollte. Bevor sich mein Leben irgendwie in eine Aneinanderreihung von Umständen verwandelt hat und ich einfach eine Spielfigur mittendrin wurde.


"Weißt du, was wir in einem Jahr erleben, dass müssen manche Leute ihr Leben lang nicht durchstehen.", hat Basti am Abend noch zu mir gesagt und wenn ich so überlege, hat er vollkommen recht. Alles fing an, als meine Mama an Silvester sagte: "Nächstes Jahr wird ein spannendes Jahr!" An den Moment erinnere ich mich noch ganz genau. Wir saßen zusammen im Auto auf dem Weg zu meinem Pferd. Mein Papa, meine Mama und ich. Alles war gut. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welches Jahr das war, weil ab dort alles irgendwie verschwimmt, aber es muss der Jahreswechsel von 2006 auf 2007 gewesen sein. An den Sommer mit der Fußball-WM erinnere ich mich eigentlich gern. Ich war viel draußen, wär zwar einmal dabei fast im Moor verloren gegangen und meine Omi wird schon die ersten Symptome gehabt haben, aber ansonsten war meine Welt ganz in Ordnung. Die Schule tangierte mich nur peripher, weil die Kinder dort eh wenig mit mir gemein hatten und ich halt den Erwachsenen zu liebe versucht habe, mich sozial irgendwie zu integrieren, was nicht so gut geklappt hat. Aber ich bin halt nicht so geeignet um mit der Masse zu schwimmen.


"Du bist halt einfach keine Hausfrau.", das hat er vor dem Einschlafen noch zu mir gesagt und obwohl er recht hat und das ja einfach nur eine Tatsache ist, fühlt es sich im ersten Moment an wie eine Beleidigung. Was Quatsch ist, weil ich gar keine sein will und auch gar nicht als eine gesehen werden will. "Deswegen bin ich auch keine geworden.", fauche ich zurück und entschuldige mich danach für meinen rüden Ton, weil ich in dem Moment ja schon weiß, dass der unangebracht war. "Ist doch okay, Bebi."


Hm, wenn es okay ist, ich zu sein, dann sollte ich das vielleicht auch einfach wieder tun. Ich versuch's so sehr, aber irgendwas scheint mich immer noch abzuhalten. Ich komme nur einfach nicht auf den Punkt.


Und natürlich hat er auch recht. Es ist viel passiert. Seit 2007. Seit 2013. Seit 2019. Seit 2022. Und dazwischen. Kaum ein Tag zum Durchatmen und die, die dazu da wären, sind mit Aufarbeitung belegt. Omas Krebszeit, alles, was das ausgelöst hat. Meine erste Beziehung, die so ein bissl chaotisch war, die darauffolgende, die alles noch viel schlimmer gemacht hat und in einer Hochzeit mündete, welche nach kurz bestehender Ehe und sehr nervenaufreibendem Trennungsjahr auf beiden Seiten, das Trinken, um mit dem ganzen Quatsch irgendwie klarzukommen, der Trennung von dem zweiten Partner aus der bestehenden Ehe kurz vor der Scheidung, ect.


Ich denk ja immer, das war ein Tiefpunktjahr. 2014. 2015. 2016. 2017. 2018.


2019 war dann eigentlich ganz aufbauend und progressiv. Hat mir wieder Mut gemacht. 2020 war schon ein bisschen zäh, weil mein Kaninchen Peppi wegen eines Blasentumors eingeschläfert werden musste, das Chamäleon Spike, das ich noch aus meiner Ehe hatte, wegen einem Kieferabszess euthanasiert werden musste (falls euch das Thema Tod und Tiere interessiert, lasst es mich wissen, vielleicht mache ich eine eigene Rubrik dazu oder leite lege diese Kategorie in Zukunft in einem anderen Projekt an), meine Stute im Sommer einen Hufreheschub hatte und es ihr lange nicht gut ging, ich inzwischen mit Basti ins Allgäu gezogen war und dorthin eigentlich auch gar nicht gehöre, aber wegen meiner Tiere und Familie zurückkam. Ich war sehr unglücklich dort wegen der ganzen Erinnerungen, die mich Tag und Nacht verfolgten und es mir schwer machten, das Leben, das ich loswerden wollte, auch wirklich loszulassen. Das führte dann zu 2021. Meinem neuen preisgekrönten Horrorjahr von dem ich dachte, es könnte schlimmer nicht mehr werden. Wir haben uns in eine sehr unglückliche Beziehungssituation mit einer Person gebracht, die uns zu diesem Zeitpunkt unserer Heilung sehr geschadet hat und unsere Traumata gegeneinander ausgespielt hat. Im Dezember 2021 hatte ich meine Notfalleinweisung für die psychiatrische Geschlossene im BKH, falls es mir Nachts irgendwann einfach die Sicherung schießen würde. Als Notfall sozusagen. Ich wusste, dass ich eigentlich nicht sterben wollte und nicht sterben durfte, weil ich noch Verantwortung getragen habe, aber ich wusste auch, dass ich nicht mehr lange gegen die Umstände bestehen konnte und ich Sorge hatte, in einem Moment der Dissoziierung einfach zu gehen... Ein scheiß Gefühl irgendwie. Halten wir fest, da war ich schon ziemlich am Ende, weil es echt blöd ist, wenn man nicht weiß, ob man am nächsten Tag noch aufwacht, weil man sich am Vortag vielleicht aus Versehen mit Absicht umgebracht hat. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll, es gibt halt kein Wort dafür. Das ist einfach das, was ich in dem Moment gefühlt habe. Die Angst vor dem Selbstmord triffts vielleicht am ehesten. Und die führte ja zur Prävention. Hatte damals eine sehr gute und nette Hausärztin, die mich verstanden hat und zu dem Zeitpunkt auch der Meinung war, der Notfallzettel würde mir als Sicherheit ausreichen und sie müsse mich nicht direkt einweisen. Klar wäre es entspannter gewesen, mich einfach zwei oder sechs Wochen in die Klinik zu setzen und in Ruhe über mein Leben nachzudenken, ein bisschen Kaffee zu trinken, zu rauchen und Spiele zu spielen, aber meine Mama war schwer krank und keiner wusste, was ihr fehlte. Sie wurde immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert, Hirnscan, ect., aber es hieß immer nur, es läge an ihrer Psyche. Basti hat ihr von Anfang an geglaubt, aber der war halt auch nicht ihr behandelter Arzt. Auch scheiße, wenn einem keiner hilft und ich war mit meiner eigenen Situation beschäftigt und mit unserem kranken Pferd und damit irgendwie noch so gut es geht die Versorgung hinzukriegen und so viel Zeit mit ihr zu verbringen wie möglich und das am besten gut gelaunt. Basti hatte sich im Mai den Schulterkranz und eine Rippe beim Sturz von einem Pferd gebrochen und war war seit der Impfung mega abgeschlagen. Ich hab mich irgendwie um das gekümmert, was anfiel. So gut es ging. Finanzen, dass auch wieder bissl Geld reinkommt, hab neben der Ernährungsberatung dann angefangen beim BfZ als Honorarkraft zu arbeiten und beim gfi. Dafür erhielt ich zwei mal die Mittagsbetreuung einer offenen Ganztagesschule (ich hab die Kids echt sehr ins Herz geschlossen. Ohne die wäre mein Leben zu der Zeit gar nicht machbar gewesen. Unglaublich, was sie einem Zurückgeben können und super tragisch, wie die Lehrer und Betreuungspersonen zum Teil mit ihnen umgehen), einen langzeitarbeitslosen 62 jährigen ehemaligen Fleischerhelfer mit 9 Fingern, Alkoholproblem, kaputtem Rücken und einem steifen Knie, den ich auf seine Bewerbungsgespräche vorbereiten sollte (finde den Fehler im System), einen demotivierten Jungen aus Eritrea, den ich dummerweise zuvor schon durch den zweiten Mann in meiner vergangenen Ehe kannte, was unser professionelles Verhältnis ein bisschen schwieriger gestaltete. Er hat zwar nie was gesagt, aber ich bin sicher, dass er mich erkannt hat, auch wenn ich inzwischen ganz anders aussah. Und zwei mal die Woche, wenn ich mit ihm für eineinhalb Stunden allein im menschenleeren BfZ saß (solche Förderungsmaßnahmen finden logischerweise nach Feierabend des Azubis statt und zu den Tagen, an denen wir beide Zeit hatten, war oftmals niemand mehr im Haus) und ich im Penta-Splitscreen zwischen dem Krankenhausbett meiner Mama, dem Befinden meines Pferdes (ist ihr ohne Decke jetzt zu kalt? Komme ich rechtzeitig, bevor sie friert? Wen kann ich fragen, der mir schnell rechtzeitig die Medis geben kann, weil ich's nicht mehr pünktlich schaffe, falls wieder Stau ist? ...), der Situation in unserer Polybeziehung und dem emotionalen und körperlichen Zustandes meines Freundes (der war schlechter als meiner, sonst hätte ich ja Hilfe gehabt), den Freuden des Bäckerhandwerks und den einfachen Berechnungen von Kalkulationen und den Flashbacks aus 2018 wie mein jetziger Schüler lachend auf meinem Sofa in Ettensberg sitzt. Dem einzigen Möbelstück, das ich zu dieser Zeit besaß. Der alte kleine Fernseher, den ich als Kind von meinem Opa bekommen habe, hatte ich auf einen angemalten Karton gestellt. Immerhin war es eine Vier-Zimmer-Wohnung. Ach, ein Kühlschrank war auch da. 20 Jahre alt. Aus dem Versicherungsbüro meines Opas. War der Sektkühlschrank. Lief aus. Aber hat gekühlt. Immerhin. Alles weitere, was dort so passiert ist, kann und sollte man niemandem erzählen und es würde vermutlich sowieso erfunden klingen. Man muss dabei gewesen sein. Oder besser nicht.


Mit Flashbacks ist das so ein bisschen blöd. Wenn der eine läuft, kann's sein, dass das den nächsten antriggert oder sich mischt und zu diesem Zeitpunkt, also Dezember 2021 kam alles auf die Spitze. Halten wir nochmal fest. Ich dachte, es könne nicht schlimmer werden und mein Notfallschein für die Klapse war immer dabei, damit ich wenigstens solange überlebe, um mein Pferd versorgen zu können. Ich kann mein Pferd aber nicht versorgen, wenn ich in der Klapse bin. Also war der Schein die naheliegendste und einzige Lösung und ich bin meiner Ärztin sehr dankbar, dass sie Verständnis für meine sehr verstrickte und komplizierte Situation aufgebracht hat. Natürlich wollte sie mich auch krankschreiben, aber ich war selbstständig und Honorarkraft, also verk*ckt. Durch die Jahre davor nicht gut abgesichert. Doppelt verk*ckt. Durchziehen oder draufgehen und wir haben ja schon geklärt, dass ich mich aktiv gegen letzteres entschieden habe, auch wenn das oftmals ein harter Kampf mit meinem Gehirn war. Geist kann Körper halt in manchen Situationen schlagen, wenn er die Abläufe erkennt.


Und dann kam 2022. Und ich erkannte, dass ich alles, was ich zuvor als schlimm bezeichnet habe, unwichtig geworden war. Ich konnte mich kaum mehr Strukturieren und eine Selbstständigkeit war so nicht mehr möglich, also bewarb ich mich auf eine Teilzeitstelle bei Rewe. Den Abschluss zur Einzelhandelskauffrau hab ich nebenbei mal extern gemacht, hätte aber auch gar keinen interessiert, wie ich später herausfand. Man hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, meine Bewerbungsunterlagen durchzusehen, dafür hatte ich dann kein schlechtes Gewissen, als ich irgendwann nur noch wie ein Roboter oder weinend an der Kasse saß. Meine Mama war immer noch im Krankenhaus und keiner konnte mir sagen, wie es um sie steht. Die Coronabeschränkungen haben das mit den Besuchen zusätzlich erschwert und ich war viel zu wenig für sie da. Das Geld von Rewe reichte hinten und vorn nicht für die laufenden Kosten, die wir hatten und ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich diese Zeit überlebt habe. Mit meinem Zettel wahrscheinlich. Und durch meine Aufgabe. Meine Donni.


Als es im April endlich so aussah, als würde wieder Ruhe einkehren, die schreckliche Dreiecksbeziehung vollständig beendet war und meine Mama von ihrer Reha zurückkam, war ich erstmal noch ein bisschen damit beschäftigt, unzufrieden zu sein und lustlos meine Rewe-Schichten zu machen und die Welt nach zu hassen, danach in den Stall zu fahren und kurz noch nach meiner Süßen zu sehen, weil für mehr die Energie nicht mehr reichte, da kam der 8. Mai. Es war Muttertag. Sonntag. Kurz nach sieben. Zwei Stunden später schrie ich meine Mama an, sie solle mich in Frieden lassen und mich verpissen, bin ins Auto gestiegen und nie wieder an diesen Ort gekehrt. Ich hatte Basti. Sie war mal wieder völlig allein. Mein Papa war kurz zuvor wieder nach Rust gezogen. Lag vielleicht ein bisschen daran, dass Basti und ich kurz davor zurück in die Wohnung meiner Eltern gezogen sind und er damit nicht so gut auskam oder was auch immer. Auf jeden Fall geb' ich mir auch dafür die Schuld. Dass er nicht für sie da war. Weil ich ihn vertrieben habe.


Wir haben gerade unser Pferd sterben sehen, das uns siebzehn Jahre lang alles bedeutet hatte und nun stehen wir Meilen voneinander entfernt und können uns nicht mal die Hand reichen. Ich sehe, wie ihr ganzer Körper bebt, höre die Leute rufen, wir sollen uns umdrehen, weil wir sie so nicht in Erinnerung behalten wollen würden, sehe Basti, wie er gekonnt gelernt mit dem Rücken zu dem steht, was er nicht sehen soll und mir mit einer Handbewegung bedeutet, es ihm gleichzutun. Doch ich kann nicht. Ich muss hinsehen. Ich sehe alles in diesem Moment. Wie Frank die Kanüle ansetzt. Wie das erste Blut einschießt, wie sich die Pupillen meiner Mama weiten, die zehn Meter auf der anderen Seite steht. Wie jede Faser ihres Körpers bis zum Zerreißen gespannt ist. Sie kann sich nicht umdrehen. Und ich kann nichts tun. Außer zusehen, wie sich diejenige, die mich durch all die schmerzlichen Jahre getragen hat, für die ich all das Leid ertragen habe, für die ich meinen blöden Anti-Selbstmord-Zettel hatte, im Kreis dreht, einknickt, zusammensackt, fällt. Dumpf aufschlägt. Ihre Zunge fällt aus ihrem endlich entspannten Maul. Sie ist ganz weiß. Ich habe mich von ihr verabschiedet und sie gab mir das Gefühl, dass sie bereit ist, aber ich bin es nicht.


Ich bereue es, dass ich meine Mama habe stehen lassen. Es ist, als wäre ich in dem Moment mit Donna gestorben ohne wirklich gestorben zu sein. Ab da ist alles dumpf und in einer Wirrung aus Flashbacks. Ein wilder Mix aus allem. Für die nächsten paar Jahre. Und ich bin immer noch mitten drin. Außerdem sind in der Zwischenzeit außerdem auch mein Kaninchen Kiki und unsere Familienkatze Pu gestorben. Menschen sind leider auch gestorben, Bastis Oma, sein Stiefpapa und mein Opa.


Die ganzen Kleinigkeiten, die das Leben ärgerlich machen, sind jetzt mal ausgespart. Dass das dann mit Rewe sein Ende haben musste, war auch klar und nachdem das mit den Stunden so gar nicht funktioniert hat, ich nie einen Chip zum Einstempeln erhalten habe und die Lage in dem Laden generell eher ärgerlich war, hatte ich auch wenig schlechtes Gewissen gegenüber dem Kaufmann, als es dann im Juli nicht mehr ging und meine Psyche die ersten körperlichen Symptome rausbrachte. Hab ich normal, wenn ich nicht zur Arbeit gehen kann. Hatte ich ja auch, als ich mit meinem Bandscheibenvorfall mit Bett lag. Ist zwar dumm, sich schlecht vorzukommen, nicht bedienen zu gehen, weil's ja wirklich nicht geht, aber ich nehme meine Aufgaben halt ernst. Außer man ist sehr idiotisch. Dann verhalte ich mich idiotisch zurück. Wie es in den Wald reinschreit, gell. Fürs Team hat's mir leid getan, das waren echt tolle Menschen, die sich viel Mühe gegeben haben und im generellen zu gering geschätzt werden. Aber das geht ja Leuten aus allen möglichen Branchen so.


Alles weitere war zwar irgendwie viel und stressig, aber hauptsächlich mit der Abarbeitung der vorherigen Jahre verbunden. Irgendwie hält das halt vom eigentlichen Leben ab und das macht unzufrieden.


Viele, viele Gedanken und alle führen mich nur zu dem einen Punkt. Es hat gar keinen Sinn, sich deswegen jetzt aufhalten zu lassen. Ich kann die Tatsachen nicht ändern und muss sie irgendwann verarbeiten und das wird hart werden und viele Stunden voller Tränen und Verzweiflung bedeuten, aber es ist die Chance, dass es mir endlich irgendwann besser gehen kann. Das Tili macht meinen Kopf schwer und ich schlafe ein.


9.00 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern. Wir haben beschlossen, in der aktuellen Situation, ist es halt so wie es ist und wir leben mit den körperlichen und seelischen Gegebenheiten, die wir gerade haben und machen das Beste draus. Ich fühle mich gut. Die Gedanken heute Nacht haben zu einem positiven Ergebnis geführt, auch wenn die Zeitwanderung anstrengend war.

Die Mädels sind noch im Allgäu, also gibt es keinen Grund, sich selbst unnötig früh ausm Bett zu sprengen.


9.05 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich bitte auf Schlummern und ziehe das Benachrichtigungsfenster runter. "Kannst du das bitte klären?" Ich tippe auf die Nachricht meiner Mama. Sie hat mir den Screenshot einer E-Mail einer Behörde geschickt, die sich mal wieder doch nicht zuständig fühlt. Ich breche in Tränen aus. Seit fünf Jahren versuche ich diesen Quatsch zum Abschluss zu bringen, aber entweder ist keiner Zuständig oder es ist Corona oder wir müssen mal wieder umziehen und von vorn anfangen. Seit ich Basti das erste Mal gesehen habe, bin ich sieben Mal umgezogen. Fünf Mal davon waren zum Glück gemeinsam. Aber trotzdem.


Kann das denn endlich mal enden? Ich hasse unabgeschlossene Sachen und ich hätte so viel Neues im Kopf. Aber solange altes nicht beendet ist, ist es schwer neues anzufangen, blablabla. Was, was ich halt nicht einsehen will. Wie, dass man Dinge lernen muss. Mehr dazu findest du im Beitrag von gestern.


Ich weine so ein bisschen vor mich hin und dann fällt mir der Grund ein, aus dem ich js.colour.life machen sollte. Die Idee ist ja schon ganz lang da und ich wusste, ich habe einen Grund, aber ich konnte ihn nicht genau definieren. Und eigentlich ist er ganz einfach. Viele diese Flashbacks, die mich aktuell noch begleiten oder die letzten fünf Jahre begleitet haben, rühren daher, dass meine Identität und Sexualität als Begründung dafür benutzt wurde, alles mit mir zu tun, was einem so in den Sinn kam. Man muss sich jetzt nicht vorstellen, dass das nur ein Mensch ist, der beschließt, einen gezielt zu quälen. Es ist mehr das, was passiert, wenn die Leute von dir erfahren, dass du bisexuell bist. Wenn du dann auch noch deinen eigenen Style hast, der eher Lack und Lederlastig wäre, gibt's ja kein Zweifel mehr dran, dass man mit der Alten alles machen kann, oder?

In der Theorie weiß ich das schon lang, aber in diesem Moment, keine Ahnung warum, wird mir das schlagartig wirklich bewusst und ich denke an alles, was mein Körper ertragen musste, weil ich mir selbst entsprechen wollte. Das Traurige daran ist ja, dass ich das nie tun konnte, weil ich mich stets mit Menschen aufgehalten habe, die mich nicht verstehen konnten. Das ist gar nicht die Schuld dieser Menschen und ich habe ihnen das auch alles schon längst vergeben. Es geht dabei nicht um Groll oder Aggression oder Rache, sondern einfach nur um die Tatsache, dass man mich für das verletzt hat, was ich bin. Was ich fühle. Und dann ist der Grund ja eigentlich irrelevant. Ob du geil warst oder nicht mit dir selbst klar kommst, ob du ein Trauma hast oder als Kind missbraucht wurdest, spielt für mich als Individuum keine Rolle und hat mit mir als Person überhaupt nichts zu tun. Ich muss mich nicht verantwortlich dafür fühlen, dass du mir mit dem Jagdmesser Flügel in die Schulterblätter schneidest. Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass du mich mit dem Gesicht aufs Bett gedrückt fixierst und mir mit Geldstücken die Haut langsam vom Rücken abschabst, um danach Tabak zur "Desinfektion" draufzureiben. Aber ich habe die Wochen zu tragen gehabt, in denen ich die nässenden und blutigen Stellen verdecken musste, die in der Schule und Zuhause lügen müsste, die sich gegen die Welt stellen musste, damit niemand sieht wie schwach und verletzlich sie ist, damit ja kein anderer auf die Idee kommt, ihr dasselbe anzutun. Und dann kommst du und wirkst ganz harmlos und anders. Gar nicht so typisch männlich und sicherlich nicht mit dem Status, mich irgendwie verletzen zu können. Wenig später brennt mein Bauchnabel und heißes Blut rinnt meine Schultern meine dürren, im Mondlicht weiß scheinenden Arme hinunter wie der Rotwein meine Kehle. Du denkst vielleicht, dass ich das will, doch ich benutze dich nur, um meinen Schmerz zu kurieren. Vielleicht kannst du gar nichts dafür. Vielleicht bist du mein Opfer. Dein Leid tut mir leid, aber was ich am Ende zu tragen habe, ist mein eigenes und dafür sind wir beide verantwortlich. Wofür ich nicht verantwortlich bin, ist, dass du mich für deine eigene Lust feil geboten hast. Wofür ich nicht verantwortlich bin, sind die Momente, in denen du mir bewusst harten Alkohol in mein Bier gekippt hast, um mich danach vorzuführen.

All das weint sich aus mir heraus und noch vieles mehr, was zu absurd zum Schreiben ist, zumindest für dieses Format, bis es sich zum Entschluss formt, ein Projekt zu entwerfen, dass anderen Betroffenen hilft, sich aus der Schleife herauszuholen, aber in erster Linie mich selbst befreit. Ich glaube das ist das, was meine Mama mir sagen will.

Schön, jetzt weiß ich schon mal, was ich machen will, aber noch nicht wie. Und auch nicht, wie mir das ein zusätzliches Standbein aufbauen soll, das weiterläuft, falls Kopf oder Körper mal wieder für eine Zeit versagen. Wird sich wohl irgendwann ergeben. Die Idee steht immer am Anfang. Trust the process. Lernen und so. Ich höre ja auch manchmal zu.


Bei all den Gedanken um mich, schweift auch der ein oder andere zu denen, die ich aus diesen Situationen raus unfair behandelt habe. Meine Freundinnen und Freunde, die mir nur helfen wollten, zum Beispiel. Aber an einem gewissen Punkt ist es schwer, sich helfen zu lassen. Ich mein, was will man auch noch sagen? Und wenn's dann immer nur noch verrückter wird, lernt man, besser zu schweigen. Man weiß ja irgendwann nicht mehr, was man sich selbst noch glauben kann. Um den ein oder anderen tut's mir besonders leid, weil mir die Freundschaft sehr wichtig gewesen ist, aber so ist halt das Leben. Die einen kommen, die anderen gehen und die wenigsten bleiben. Die, die ich jetzt habe, sind die, die ich haben will. Es gibt nur noch eine aus meiner Vergangenheit, die ich auf Dauer in meinem Leben akzeptieren könnte und das wäre wohl eine zu komplizierte Geschichte und dafür habe ich ihr auch viel zu viel angetan. Zumal ich nicht mal weiß, ob sie überhaupt jemals das für mich über hatte, was sie in mir ausgelöst hat. So oder so ist diese Frau immer wieder eine wichtige Person in meinem Leben, der ein Teil meines Herzens gehört. Nicht nur, weil sie stets versucht hat, mir zu helfen, egal, wie dreckig ich zuvor mit ihr umgegangen bin, sondern weil sie einfach wundervoll ist. Ich hoffe, dass sie das nie vergisst und glücklich ist mit dem Leben, das sie jetzt hat. Keine Ahnung, wie das so aussieht. Will mich da nicht einmischen, weil sie mir zwar auf der einen Seite als Freundin fehlt, das zwischen uns für mich aber mit der nur Freundschaft auf Dauer einfach nicht gut funktioniert hätte. Und nachdem ich die Liebe meines Lebens an meiner Seite habe und sie keine zweite Wahl ist, lasse ich sie in Ruhe. Zumal ich ja wie gesagt gar nicht wissen würde, ob sie mich je gewollt hätte.


Falls dir das jetzt komisch vorkommt, dass ich das hier einfach so schreibe und ja einen festen Freund habe: er ist sich darüber im Klaren, weil er sie kurz nach mir kennengelernt hat. Ich war stets offen zu ihm, was meine Gefühle für dieses Mädchen angeht (zu dem Mädchen selbst nicht so, besoffen halt, aber irgendwie ist das halt nicht so romantisch, wenn einem lallend die Liebe gestanden wird mehr so in der Form von "wär ich mal besser zu dir gegangen als zu dem hässlichen Troll, den ich dann geheiratet habe" - ja, Romantik kann ich. Gehe nicht davon aus, dass du das hier jemals lesen wirst, aber falls doch sollst du wissen, dass du mich von unserem ersten Kuss an verzaubert hattest. Ich hatte damals nur noch nicht die Eier, mein Leben umzukrempeln und dazu zu stehen. Du wärst es auf jeden Fall wert gewesen, daran lag's nicht. Aber ich hätte dir auch nicht gut getan. Zu der Zeit war ich schon zu kaputt und du hättest jemanden gebraucht, der dich behüten kann... das braucht auch das stärkste Mädchen manchmal. Und ich war einfach nur zerbrochen und unfähig zu irgendwas, als wir uns kennenlernten. Und du hattest jemand verdient, der dir was bieten konnte.

Ich wünsche mir von Herzen, dass du dein Glück gefunden hast und das Leben führst, dass du dir erträumt hast. Von diesen ganz, ganz wenigen Menschen auf dieser Welt, die mir ernsthaft etwas bedeuten, hast du einen Ehrenplatz und ich bin dankbar, um jede Sekunde, die ich mit dir teilen durfte.)


10.00 Uhr

Der Wecker klingelt. Ich drücke auf Schlummern und wische meine Tränen weg. "Wie spät ist es?"

"Zehn."

"Geht ja voll."

"Mhm."

Er hievt sich schwerfällig auf die andere Seite, stößt einen herzzerreißenden Laut aus und schläft wieder ein. Eine Mail kommt, dass unser bestelltes Päckchen gerade abgelegt wurde. Ich gehe runter und sehe nach. Tatsächlich. Immerhin.


11.20 Uhr

Der Wecker klingelt. "Wie spät ist es?"

"Elf Uhr zwanzig."

"Ach man, und schon ist es wieder so spät!"

"Ist doch alles gut, Bebi! Wir haben doch beschlossen, den Stress rauszunehmen. Bringt doch nichts, wenn wir es uns immer vornehmen und dann können wir nicht. Das macht nur mehr kaputt, als es hilft."

Er rollt sich in meinen Arm und ich streichle seinen Kopf. Wir scheinen besser damit zu fahren, wenn wenigstens nicht ich dauernd auf den Schmerzen rumreite und vor allem, wenn wir in der Früh nicht mehr übers Training sprechen. Erstmal aufstehen und duschen gehen und sehen, wie es danach geht, bevor eben wieder dieser vorprogrammierte und eigenauferlegte Misserfolg stattfindet.


Wir gehen duschen und ich erzähle Basti von meinen neuen Erkenntnissen bezüglich meiner hauptsächlich sexuellen Traumata. Ich beginne zu weinen und er nimmt mich in den Arm. "Endlich.", sagt er. "Auf den Moment warte ich seit fünf Jahren."


Keine Ahnung wie lange wir da so stehen. Er muss furchtbare Schmerzen haben, weil er noch keine Medikamente genommen hat, aber er gibt keinen Mucks von sich. Er hält mich einfach nur und ist für mich da.


"Ich wollte das alles so nie."

"Ich weiß. Aber ist okay, ab jetzt können wir alles so gestalten, wie du es möchtest."

"Und du ich hab dir ja von Anfang an gesagt, wer ich bin und das ist wirklich okay für dich?"

Er lächelt liebevoll. "Ja, Bebi. Wirklich."


Ich erzähle ein bisschen und wir kommen überein, dass es nicht um Schuldzuweisungen geht. Aber auch, dass mir die Gründe meines Gegenübers egal sein können und ich einfach akzeptieren muss, was mir passiert ist. Auch wenn keiner gern das Opfer sein will. Nur wenn ich diese Rolle annehme, kann ich sie auch wieder ablegen. Ansonsten wird sie wie ein Geist an mir haften und mich immer wieder in Situationen bringen, die mich zurück in die Hölle schicken.


15.24 Uhr

Wir gehen zu Rewe. Nicht weil wir was brauchen, sondern weil wir es nicht schaffen, sonst etwas anderes zu machen. Wir kaufen Basti einen Energiedrink, weil wir sonst nichts brauchen und gehen wieder. Ich bin einfach da. Nicht traurig, nicht glücklich, nichts. Nur da.


Und jetzt schaue ich die restlichen Trauermücken an. Sie sind traurig. Ich lasse eine frei, die sich noch im Basilikum versteckt hat und jetzt am Nylonstrumpf, den ich über den Topf gespannt habe, krabbelt und einen Ausweg sucht. "Mach's gut. Aber nicht hier."


Ich halte die Gedanken der Nacht in dem Blogbeitrag hier fest und überlege wie ich mit all dem, was heute aufgebrochen ist, umgehen soll. Wenn man das so schreibt, klingt es schon fast lächerlich. Aber ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, endlich wieder schreiben zu können, um diese Schrecken aus meinem Kopf zu bringen.


19.00 Uhr

Keine Ahnung wo die Zeit hin ist. Ich bin in schwebe. Weiß nicht, was ich tun soll. Also logge ich mich in WoW ein. Treffe meine Jägerin. Ist inzwischen Stufe 73. Macht noch wenig Schaden. Wie immer viel zu volle Taschen...


20.01 Uhr

Läuft irgendwie nicht so. Vielleicht sollte ich den Tag für heute einfach beenden.



Schön, dass du Frauenbarth gefunden und diesen Beitrag gelesen hast. Ich habe dich hier in einen sehr privaten Teil meines Lebens mitgenommen und das auch bewusst getan. Ich bin nicht die einzige Person, der solcherlei Dinge in ihrem Leben widerfahren und ich habe das Glück, mich mit jemandem austauschen zu können, der mich versteht und auffängt. Es gab aber auch Zeiten, in denen ich allein war und da hätte ich einen ehrlichen Gedankenauszug wie diesen gut gebrauchen können.


Ich hoffe, er hilft dir. Denk immer dran, es gibt bessere und schlechtere Tage. Das ist bei jedem so. Und wenn man ein bisschen was erlebt hat, kann das halt auch ein bisschen extremer ausfallen. Kopf hoch, morgen geht die Sonne wieder auf und wenn du dich deiner selbst stellst und dich aus deiner Situation befreit hast, denk immer dran, dass dennoch eine Reise vor dir liegt.


P.S.: Happy Halloween ;) <3

Comments


Deine Meinung zählt!

Ich freue mich, wenn du dich von meinen Geschichten angesprochen fühlst – sei es zum Schmunzeln, Nachdenken oder Mitfühlen. Wenn dir ein Beitrag gefallen hat, lass es mich wissen! Deine Kommentare, Likes und Gedanken sind immer willkommen. Teile gerne deine eigenen Erfahrungen oder Ideen – denn hier geht es nicht nur um meine Sicht der Dinge, sondern auch um den Austausch zwischen uns. Gemeinsam können wir den Blog lebendig halten!

Also, trau dich und hinterlass einen Kommentar oder teile den Beitrag, wenn du denkst, dass auch andere davon profitieren könnten. Deine Unterstützung bedeutet mir viel und hilft dabei, diese kleine chaotische Ecke des Internets weiter wachsen zu lassen.

Danke, dass du Teil davon bist!

Privates Feedback oder eine Frage? Kein Problem!

Falls du deine Gedanken lieber nicht öffentlich teilen möchtest oder eine Frage hast, die du lieber privat stellen möchtest, kannst du gerne das Feedback-Formular nutzen. Ich freue mich über jede Nachricht und behandle dein Feedback selbstverständlich vertraulich. Auch für Ideen oder Anregungen bin ich offen – dein Input ist immer willkommen!

Außerdem, für alle kreativen Köpfe da draußen: In Zukunft wird es auf Frauenbarth auch Platz für Co-Autorenbeiträge geben! Denn Frauenbarth entwickelt sich weiter – weg vom Einzelblog, hin zu einem bunten und vielseitigen Online-Magazin in klassisch schlichtem Schwarzweiß, das auf echte Texte, wahre Gefühle und authentische Verbindungen setzt. Hier ist kein Platz für schnellen Content, sondern für Geschichten, die berühren und zum Nachdenken anregen. Wenn du also Lust hast, mit mir zusammenzuarbeiten oder deine eigene Geschichte zu teilen, melde dich gerne!

Schreibt mir, ich freue mich auf dein Feedback, Frage oder Anfrage!

Danke für die Nachricht!

Impressum     Datenschutz     AGB

© 2024 frauenbarth.de | lovelife | opinion | lifeblog 
UmSt: DE361840489

bottom of page