Wandel
- FRAUENBARTH
- 18. Dez. 2024
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Dez. 2024
Arrrghh.. Würg... Platsch...
"Fuck, die kotzt."
"Ja, das höre ich. Bin schon unterwegs."
Ich springe mit geschlossenen Augen auf, verfehle den kleinen Frosch nur um Haaresbreite und lande irgendwie auf zwei Füßen auf dem Schlafzimmerboden. "Alles okay, Princess?"
Sie schaut noch ein bissl bedrückt, aber ansonsten scheint sie okay. Ich spring los, um Küchenrolle zu holen, da übergibt sie sich das zweite Mal und Unruhe kommt auf. "Bin schon da. Gehen wir raus." Basti ist aufgestanden und hat ihr Geschirr schon in der Hand. Ich wische und hole dann was zum Nachwischen. Mal wieder ein schöner Start in den Tag. Mit so angenehmen Gerüchen wie Schäferhund-Kotzi und Mops-Pups. Ich schau auf mein Handy. 6.12 Uhr Immerhin war die Nacht ruhig und wir haben beinahe sechs Stunden Schlaf abbekommen.
"Okay, vielleicht... vielleicht war das ihr Kopf.", sagt Basti nach zwei Minuten, weil der Hund wieder entspannt ist und gemütlich Richtung Park trottet. Es ist noch nicht viel los und dunkel, eigentlich eine schöne Stimmung. Ich erinnere mich dran, wie es mir neulich ging, als ich Bauchschmerzen hatte und auf einmal der Kopf zu gemacht hat. "Möglich.", sage ich. Wir laufen eine ganze Weile bis sie sich lösen kann. "Weniger dünn als gestern. Glaube Reis und Möhrchen haben geholfen."
"Vorerst."
7.30 Uhr
"Ich bin so am Arsch, ich muss mich nochmal hinlegen." Ich denke mir schon, dass das eine dumme Idee ist und ich möcht auch noch kurz ein Geschenk für meinen persönlichen Hoffnungsschimmer aus Bad Homburg besorgen. Wir werden uns heute in ihrer Mittagspause kurz treffen. Sie war meine erste Klientin hier in HG und wir sind in Kontakt geblieben, was mich erstens freut, weil ich sie sehr mag und schätze und es zweitens wunderbar finde, wie sich ihr Leben entwickelt. Ist viel passiert in den eineinhalb Jahren und es ist großartig zu sehen, wie sie aufblüht. Ja mit Geschenken bin ich früh dran... Wollten wir ja auch letzten Dienstag schon machen, aber es läuft halt nicht immer wie man will.
11.20 Uhr
"F*ck Alter. Mir geht's echt blöd. Ich muss jetzt los." Ich steh auf, schlüpfe in meinen Mantel, setze meine Kopfhörer auf, wickle mir meinen Schal um den Kopf und gehe los. Ich hab noch nicht die Ahnung, was es wird, aber ich lasse mich einfach von meiner Intuition überraschen. Geht ja primär um die Geste. Und weil ich trotzdem pragmatisch bin, wird's eine Schieferservierplatte und eine Duftkerze. Das ist so der Mittelweg zwischen schön und praktisch.
Basti hilft mir beim Einpacken.
12.20 Uhr
Ich komm grad aus der Haustür und bin damit beschäftigt, dass die Kerze nicht vom verpackten Brett fällt und die Kugeln festgeklebt bleiben, da biegt einer unserer alten vom Rathaus ein. Wir sind ja gut mit 'ner Menge von Leuten, nur halt mit den wenigsten close. Aber das ist wohl okay so. "Brauchst du Hilfe beim tragen?", fragt er und lacht. "Schaff ich grad noch so.", entgegne ich und spar mir das Zwinkern, weil ich's nicht gut kann und die Leute dann eher denken, ich krieg gerade einen Schlaganfall. "Schöne Feiertage!", wünsche ich ihm stattdessen und er mir ebenso.
Wir treffen uns auf der Louise vorm Haupthaus. Sie bringt uns ein total tolles Geschenk: "Nichts Großes, aber mit Liebe." und wie immer viel großzügiger als es nötig wäre. Weil Basti und ich an Weihnachten sowieso hier sind, vereinbaren wir, dass wir die Aufsicht für Bossbunny übernehmen. Ab Samstag ist für den Rest des Jahres vielleicht mal wirklich ruhig. Die Mädels sind im Urlaub (glaub ich) und bei allen andren hoffe ich einfach, dass ich sie über die Feiertage nicht sehe, weil das bedeuten würde, dass bei ihnen zuhause irgendwas nicht stimmt. Da kommt es ganz gelegen, dass Hasi uns Anlass gibt, ein wenig spazieren zu gehen. Wir fühlen uns ja auch gar nicht so sehr weihnachtlich... Sentimental vielleicht, ja. Immer zu dieser Zeit. Heute besonders.
Vor zwei Jahren haben wir nach einem fiesen Streit mit meinen Eltern unsere Sachen gepackt und sind nach Österreich gezogen. Hatten nicht vor, zurückzukommen und sind ja auch zum Glück nicht wieder im Allgäu sondern 12km von Frankfurt gestrandet. "Life taught us to be not predictable." (Ukrainische Kollegin vom toten Berg) und damit hat sie recht. "Man weiß doch nie, was kommt.", so würde es meine Mum formulieren.
Wir dachten damals, wir kommen in ein vegetarisch und veganes Bioberghotel, haben unsere Habseligkeiten auf ein Minimum reduziert, wurden nach Kempten zum Bahnhof gebracht und waren fortan nur noch wir. Wir mit einem Haufen Sachen im Zug und über 400km vor uns. Wie das so ist, haben wir dann wegen Verspätung auch einen Anschlusszug verpasst und standen abends dann eine Stunde mit all unseren Sachen am Bahnhof in Wörgl, ohne einen Plan, wie und wo es weitergeht.
Nachdem mal wieder eine Bahn kam, haben wir einfach gefragt.
"Für die Saison hier?", fragt der Schaffner. "Vielleicht für immer."
"Wo geht's denn hin?" Wir sagen es ihm. "Ach, zur Kathi und zum Franz. Ja mei, sche." Wir fassen es als gutes Zeichen auf, dass man das Hotel und die Besitzer offenbar kennt und unser Stress löst sich langsam. Ich rufe nochmal dort an und sage, wann wir ungefährt ankommen. So zwischen zwölf und eins. Nachts. Der Manager ist nett und sagt, das kriegen sie schon hin, nur der Shuttlefahrer hat bereits Feierabend (der hatte zu dem Zeitpunkt einfach keinen Führerschein mehr, aber dafür hatte man ja guten Nachschub an ungarischen jungen Männern, wenn auch weniger als andere Betriebe).
Der Schaffner gibt meinem Teddy, der aus einer Einkaufstasche schaut derweil ein Kinderticket und wir sind trotz den Umständen richtig gut gelaunt und vor allem freuen wir uns auf unsere gemeinsame Arbeit im Service. Zuletzt war's echt doof, wir waren in unterschiedlichen Betrieben und die Alp, auf der ich war, hab ich aufrichtig gern gehabt, auch die Wirte, aber leider war's wir mit'm Dorfwirt und der Therapie, das Leben hatte andere Pläne für mich und ich konnte nicht lang bleiben. Doof dran war halt, dass er in seinem Betrieb oft tags Schicht hatte und die Alp auf der ich war, erst um zwei aufgemacht hat. Gemeinsame Zeit gleich null, obwohl wir die ganz, ganz dringend gebraucht hätten nach diesem furchtbaren Jahr der leidigen Poly(ich-will's-nicht)Beziehung(schimpfen).
Als wir in Leogang ausgestiegen sind, war Eiszeit. Der Shuttle kam nach wenigen Minuten und ich war ganz fasziniert vom glitzernden Leogang. "Schau mal Bebi, vielleicht ist es das.", staunte ich. Doch wir fuhren dran vorbei. "Ich muss Schneeketten aufziehen."
"Oh, Bebi, wie im Winterwunderland."
Bei der Fahrt nach oben wird mir schlecht, obwohl der Manager nicht schlecht fährt. Aber die Strecke hat's in sich und ich weiß, ich muss irgendwann wieder runter. Ich werde laufen. Wir halten uns an den Händen und haben so einen Anflug von Ankommen und Abschluss zugleich. Unsicherheit, was auf uns zukommen wird. 4 Sterne sind halt 4 Sterne und sie haben uns zu eigentlich guten Konditionen angestellt, vor allem für das, dass kurz vor Weihnachten ist, unser Bewerbungsgespräch in meiner Pause stattgefunden hat und abends nochmal mit Basti wiederholt wurde und wir ein paar Tage später schon unterwegs waren. Seit Donnas Tod wollte ich nichts andres als Weg aus dem Allgäu und endlich tun wir's. Es gibt nichts mehr, was mich dort hält. Menschen können reisen, wenn sie wollen und bei den meisten leg ich ohnehin keinen Wert auf weiteren Kontakt. Das weiß ich jetzt schon. Bei anderen wird man sehen, wie es sich entwickelt.
Als wir unser Hotelzimmer für eine Nacht betreten sind wir glücklich. Wir ignorieren den Staub und den Schmutz am Waschbecken und freuen uns einfach.
12.30 Uhr
Ich komm wieder hoch, informiere Basti über unsere Feiertagsplanung mit Hasi, wir gehen nochmal Gassi und dann schreibe ich den Blogeintrag von Dienstag.
15.45 Uhr
Wir gehen nochmal Gassi. Ich hab zwischendrin nur schnell geschaut, was meine Todesritterin in ihrer Truhe hatte und freu mich über ihre Kokonbrut (World of Warcraft).
Basti muss sich nochmal hinlegen und ich gehe auf Geschenkejagd. Zumindest für meinen Papa und Bastis Mam. Müssen wir morgen losschicken, sonst kommt es nicht mehr rechtzeitig. Ich geh zur Buchhandlung und lass mich beraten, was mein Vater so lesen könnte. "Uh, das ist aber schwer.", sagt die Buchhändlerin. "Deswegen frag ich ja Sie.", antworte ich. Wir finden nach ein paar Minuten was, was mir zusagt, worauf ich auch hätte selbst kommen können und ich nehme es. Was ich für Schwiegermutti kaufen soll? Keine Ahnung. Ist ein ganz blödes Jahr für sie, da ist es ganz blöd, Geschenke auszusuchen. Galerie Kaufhof gibt nichts passendes her und ich schau kurz zu Müller, weil wir Shampoo und vor allem Toilettenpapier brauchen. Geschenk finde ich keins, aber paar mehr Putzsachen, deswegen geh ich erstmal heim und will dann wieder los.
Ich war etwa eine halbe oder dreiviertel Stunde unterwegs. Die Hunde haben sich bestimmt zu Basti gelegt. Ich bin leise, damit ich niemanden wecke, öffne die Wohnzimmertür und schreie.
"Was zum Teufel stimmt denn mit euch nicht?"
Mops und Schäferhund schlafen nicht. Sie haben das Lagerregal teilweise abgeräumt, dabei Robo-Saugi fast geschrottet und der Boden ist über und über mit Fetzen bedeckt. Ich mach mir erstmal Sorgen, dass sie irgendwas erwischt oder gefressen haben, was sie nicht sollten und dann steigt mir der Geruch in die Nase. Ich war aber leider schon auf dem Weg in die Küche, um Schaufel und Besen zu holen. "Waaaaaaaaaaaas stimmt nicht mit euch?"
Ich schau auf den Boden. Fußabdruck, Fußabdruck, Fußabdruck und gefühlt hundert Pfotenabdrücke. Gemalt mit weicher Mopskacke. "Was ist nur los mit euch? Wir warn eben erst draußen."
Ich bin so sauer. Ich schimpfe vor mich hin und beseitige erstmal die stinkende Hinterlassenschaft, danach sehe ich das Chaos aufm Boden durch. Alles okay soweit. Unwahrscheinlich, dass sie sich selbst geschadet haben.
Nachdem das Grobe weg ist, kann ich mich ja ans Putzen machen. "Nicht dein Ernst?", ich schaue den Mops böse an, weil ich bisher das Pipi, das unter den Sissysquad-Trainer laufen will (die Wohnung ist so schief wie die von Lilli und Marshall aus "How I met your mother", aber wenigstens haben wir sie nicht gekauft, sondern nur gemietet), noch gar nicht entdeckt hatte.
Ich putze und putze, aber der Geruch hängt. Immer schön, danke auch. Das ist uns tatsächlich noch nie passiert. Unsere Hundis haben manchmal ihr Spinner und es muss halt auch mal jemand spucken, aber eine so selbstverständliche Unsauberkeit bei einem vier jährigen Tier, das in einer Familie lebt, ist für mich gar nicht nachvollziehbar.
19.30 Uhr
Basti schlurft aus dem Schlafzimmer. "Geht's dir besser?"
"Nein, furchtbarer." Ich halte ihn auf dem Laufenden und er findet's auch nicht witzig. "So gerne ich sie habe, aber das können wir nicht nochmal machen."
"Ja, ich weiß..."
Tut weh sowas, weil die Hunde da nichts dafür kommen. Das ist der Mensch.
Wir zocken ein bisschen WoW, diese Woche möchte ich mal meine Aufgaben erledigen. Zumindest im Spiel. Immerhin etwas. Basti switched zwischendrin auf Cyberpunk und kommt dann zurück, damit mein Damönenjäger und sein Jäger mal auf Level 80 kommen und das am besten möglichst zeitnah.
"Ohhh!"
"Was?"
"Hab eins der seltenen Mounts bekommen."
"gz Bebi!"
"Komm mal schnell nach Dornogal."
"Oki."
Er schenkt meinem Damänenjäger, der inzwischen Level 78 ist, sein erstes passendes Flugtier. Vor 13 Jahren hat er sich den ewigen Zeithäscher schon für seine Meute gewünscht, jetzt dropt das Ding endlich und er schenkt es mir. Mag von außen vielleicht schwer nachvollziehbar sein, aber das ist eins der süßesten Geschenke, die man wohl so bekommen kann und außerdem sieht mein Blutelf wirklich gut auf ihm aus.
Wir gehen nochmal mit den Hunden raus.
2.16 Uhr
"Wecker auf sieben?"
"Ja, sonst wird's stressig."
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