Terminplanung
- FRAUENBARTH

- 1. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt.
Ich steh ja ab und auf Kriegsfuß mit meiner Terminplanung - aber das kann auch am Business liegen.
6.45 Uhr
„Wann musst du sein sein?“, frage ich meinen Freund und meine die Tagesklinik. Ich hab schlechte Laune. Gestern ist die Ablehnung eines Antrags im Briefkasten gewesen, der mich viel Zeit und Nerven gekostet hat, ich bin müde und unzufrieden, dass wir immer noch in unserer Übergangswohnung leben.
„8.45 Uhr“, sagt Basti. Wir haben noch ein bisschen Zeit, vor allem uns wegen der Terminplanung und Hundebelegung in die Haare zu bekommen. Es steht jetzt dann wieder viel Arbeit an und er ist leider gesundheitlich immer noch nicht auf der Höhe, obwohl ihm die Rücken-Reha schon ein bisschen was gebracht hat. Jetzt ist dann erstmal Nachsorge dran und nachstes Jahr hab ich dann hoffentlich endlich meine Mann wieder.
Wir streiten bis wir bei der Klinik angekommen, die Border Collie Hündin versprüht trotzdem gute Laune, weil‘s ihr ziemlich am Schwänzchen vorbeigeht, ob wir uns kabbeln und die Verabschiedung ist komisch irgendwie.
8.45 Uhr
Der Praktikant schreibt mir, dass ich ihm jetzt die Tür aufmachen kann, weil er da ist. Unsere Klingel funktioiert ja immer noch nicht und das wird auch nichts mehr. Und ich bin eh noch im Park. Ich schreibe zurück, dass wir uns im Kurpark treffen. So machen wir’s auch.
Danach ist erstmal kurze Officezeit. Es ist ein Schülerpraktikum und ich versuche, das irgendwie kindgerecht zu machen, aber auch sinnvoll. Mit einer Mischung aus Büro und Praxis, wie ich es halt auch für die Zukunft andenke.
Nebenbei schreib ich mit meiner Mama und das macht Laune etwas besser.
10.05 Uhr
Ich freu mich über das neue iPad und die Tastatur, weil ich de Praktikanten jetzt an den Tower setzen kann und nebenbei trotzdem Zugriff auf alles habe, was ich brauche und die Zeit nutzen kann, um schon mal diesen Beitrag zu beginnen.
Bald wird Frauenbarth in Jahr alt. Es hat sich so viel verändert, aber heute fühlt es sich an als wäre ich nur auf der Stelle getreten… Gibt wohl manchmal so Tage.
Gegen halb elf starten wir zu unserem Hundeausflug. Ich hatte eigentlich vor,ins Tannwäldchen zu laufen, aber im Schlosspark erreicht mich Bastis Nachricht, dass er noch Unterlagen von Zuhause holen muss und er unten keine Schlüsel hat.
„Planänderung“, sage ich zu Hund und Praktikant und wir laufen wieder nach Hause. Wir sind vor Basti da und schauen uns mal den Onlieshop genauer an und gehen die ersten Schritte zur Produktplanung durch.
Bevor ich jetzt weiter „Praktikant“ schreibe, nennen wir ihn einfach Matthias. Der ist gerade frische 14 Jahre und hat sich eigeninitiativ auf die damals noch nicht vorhandene Praktikumsstelle beworben.
Ich musste mir wirklich gut überlegen, ob ich das mache, weil wir aktuell eigentlich noch gar nicht drauf ausgeht sind in unserer Stadt-Hnterhaus-Wohung, die gleichzeitig Hundetagesstätte und Homeoffice sein muss, seit Jahren icht richtig saniert wurde und sehr minimalistisch eingerichtet ist.
Wir haben inzwischen alles was wir brauchen, aber schön sieht anders aus und wir sind halt auf zwei Leute mit zwei Arbeits- und mehreren Hundeplätzen ausgestattet.
Ich fand‘s aber irgendwie süß, dass er sich so bemüht hat und predige ja immer, wie wichtig es ist, dass es auch heute noch Menschen gibt, die diesen vielseitigen Beruf lernen möchten. Und das finde ich unterstützenswert und außerdem ergibt sich für mich dadurch irgendwie die Pflicht, das auch zu ermöglichen, weil ich mir sonstige eine Heuchlerin vorkäme.
Und falls du dich jetzt fragst, ob das vielleicht ein bisschen zwanghaft und anstrengend ist…
Definitiv. Aber ich versuche meine Anlagen in eine für mich und die Gesellschaft sinnvolle Richtung zu legen. Das gelingt mal mehr, ml weniger und hat auch viel damit zu tun, dass ich auch große persönliche Zweifel hatte, weil sich meine Arbeitsweise inzwischen ja doch sehr grundlegend von einem konventionellen Arbeitsablauf unterscheidet.
Ich bin quasi im Dauerdienst, so gut wie immer erreichbar und die Hunde kommen, wann sie kommen und gehen, wann sie gehen. Das kann mal kurz vor sieben sein oder nachts um zwölf.
Struktur versuche ich so gut reinzubringen wie es geht, aber sagen wir mal so: Matthias ist seit letztem Montag dran gewöhnt, dass sich sekündlich alles ändern kann.
Er erstellt fleißig sein erstes Produkt für den Onlineshop auf der Tierbetreuungswebsite und ich freu mich, dass er so interessiert und selbstständig vor sich hinarbeitet. Zwischendrin schaut er in die ChatGPT-Mappe, die ich ihm erstellt habe und den Ausbildungsrahmenplan fürTierpfleger undefiniert Verordnungen der TVT hinterlegt hat - außerdem habe ich ein paar praktische Schulfeatures eingebaut und er beantwortet gleich nebenbei einfache Prüfungsfragen und kann selbstständig lernen.
Basti kommt um kurz nach zwölf heim und bringt Brezeln mit. Klar, bissl bayerischen Standart muss man ja auch in Hessen halten, nur die Weißwürschtl spar ma uns.
„Ach, Matthias, du hast ja eigentlich schon lang Mittaagspause.“
„Ist egal. Ich kann auch später gehen.“
„Pause ist wichtig.“
„Okay, ich geh um 12.30, okay?“
„Okay.“
Es wird viertel vor eins.
„Wann soll ich wieder da sein.“
„In ner Stunde reicht, aber ich kann dir auch einfach schreiben, wenn wir wieder losgehen und Hundi und ich sammeln dich dann unterwegs aus.“
Er nickt und ich weiß, dass er in einer halben Stunde zurück sein wird.
Ich leg mich noch schnell zu Basti, seinem Rücken geht‘s heut nicht gut und bevor er zurück in die Klinik muss, hat er noch ein kleines Mittagsschläfle gemacht.
Ich will diesen Beitrag schreiben und freu mich, dass ich das jetzt im Liegen tun kann, da klingelt der Wecker.
Wir stehen beide auf, machen den Hund fertig, Matthias schreibt derweil, dass er vor der Tür steht und dann geht‘s auch schon wieder raus. Wir bringen Basti zurück zur Klinik und entscheiden, einfach in den Hardtwald zu gehen, weil wir ja eh schon fast da sind.
Kurz bevor wir auf den Waldweg kommen, klingelt mein Handy und ich drehe direkt um.
„Planänderung. Happy kommt jetzt. Wir haben 14 Minuten, um pünktlich zu kommen - und das auch nur,weil die Halterin im Stau steht.“
„Haben Sie sich den Termin nicht aufgeschrieben?“, fragt Matthias und ich sage: „Doch, aber ich hab heute Morgen den Terminplan nicht gecheckt. Lernen wir: Das ist wichtig, weil sonst sowas passiert.“
Wir schicken uns an und schaffen es pünktlich. Happy ist happy, wir auch und wir beschließen, erstmal wieder nach Hause zu gehen. Matthias macht mit den Produkten weiter und schaut nochmal auf TikTok. Basti kommt früher heim als erwartet und wir laufen ihm mit den Hunden entgegen, was Happy noch viel happiger macht, weil er Basti gaaaaanz toll findet.
Zurück Zuhause erhält Matthias Basti von unserem Tag und wir feiern unser 20stes Like auf TikTok. Das hat auch einen kleinen Hintergrund: Mittags haben Matthias und ich darüber geredet, dass ich es manchmal einschüchternd finde, wenn ich die Profile der großen Creatoren anschaue, weil man sich selbst so klein vorkommt Mein Praktikant hatte eine so nüchterne wie treffende Antwort:
„Ach, Frau Barth… Aber die machen das ja auch schon seit Jahren und dauernd. Das ist auch eine Zeitfrage.“
Und er hat recht. Irgendwann ist immer der erste Schritt und ich freu mich, dass wir ihn als Rudel bei seinen ersten Schritten Richtung Berufsfindung begleiten können. Es war die richtige Entscheidung, das zu machen, auch wenn ich anfangs Zweifel hatte.
Feierabend macht er dann umkurz vor sechs und wir auch, zumindest so was ähnliches. Ich hab noch ein bisschen Officearbeit und wir gehen natürlich nochmal unsere Nachtrunde.
Abends kuscheln wir uns zusammen, schauen Startrek Discovery weiter und sind froh, dass unsere Zickereien in der Früh halt auch nicht mehr sind als das: überschießende Gefühle aus alter Prägung heraus.



















Kommentare